Auslandsprojekte

Menschen zum Verbleib in der Heimat motivieren

Seit über 25 Jahren tobt der Krieg im Irak. Insbesondere religiöse und ethnische Minderheiten, wie die Christen und Yeziden, gehören zu den Leidtragenden der immer unübersichtlicher und brutaler werdenden Lage im Land. Keinesfalls besser ist die Situation in Syrien, und das seit mittlerweile neun Jahren. Anstelle des zunächst hoffnungsvoll anmutenden, sogenannten arabischen Frühlings, versinkt das Land im Chaos. Millionen von Menschen sind auf der Flucht innerhalb des Landes und in den Anrainerstaaten. Die Flucht nach Europa, insbesondere Deutschland, ist eine mögliche Lösung, jedoch nicht einfach und findet teilweise unter lebensgefährlichen Bedingungen statt. Außerdem ist das einerseits der Grund einer größeren Destabilisierung in der Region, andererseits vermutlich das sichere Ende der Existenz bestimmter Minderheiten in beiden Ländern.

 

Flucht ist kein Verbrechen

Weil tagtäglich menschliches Leben auf dem Spiel steht, ist es nachvollziehbar, wenn Menschen sich selbst und ihre Kinder in Sicherheit bringen wollen. Doch es gibt genug Beispiele dafür, dass viele Menschen bewusst ihrer Heimat treu bleiben bzw. in den Nachbarländern vorübergehenden Schutz suchen, in der Hoffnung, bald zurückkehren zu können. Das Erzbistum Paderborn und der Diözesan-Caritasverband möchten im Kleinen ein Zeichen setzen, indem sie Projekte fördern, die einerseits das Leben in der Region erträglicher machen, andererseits die Menschen motivieren, in der Region zu bleiben.

Im Folgenden möchten wir Ihnen Projekte vorstellen, die durch das Erzbistum Paderborn und den Diözesan-Caritasverband unterstützt werden. Sofern Sie sich in diesem Sinne einsetzen wollen und direkte Kontakte mit den Verantwortlichen wünschen, sind wir bei der Vermittlung gerne behilflich.

 

Kongregation von Jesus und Maria

„Die Menschen in Aleppo sind verzweifelt. Die Währung verliert immer mehr an Wert, die Kaufkraft sinkt, die Preise auf dem Schwarzmarkt kennen keine Obergrenze." Mit diesen Worten beschreibt Schwester Annie Demerjian von der Kongregation von Jesus und Maria die Situation in Syrien. Die ausgebildete Ingenieurin sieht ihre Mission darin, zusammen mit drei weiteren Mitschwestern und zahlreichen Ehrenamtlichen verzweifelten Menschen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

Während unserer ersten Reise in die Region im April 2016 haben wir Sr. Annie kennengelernt. Von den mitgebrachten Bildern und Informationen waren wir einerseits sehr betroffen, andererseits schwer beeindruckt. Betroffen, in was für einer elenden Situation unschuldige Menschen im syrischen Bürgerkrieg ausharren müssen, beeindruckt vom Engagement einer kleinen Kongregation, mit dem Hauptsitz in Beirut. Ihre Mitglieder versuchten teilweise unter Einsatz ihres Lebens, den Menschen etwas zurückzugeben, was andere ihnen streitig machten: Menschenwürde.

Aus Mitteln des Erzbistums und des Diözesan-Caritasverbandes konnte Sr. Annie seit 2016 unter anderem in Damaskus und Aleppo zahlreichen Familien und Einzelpersonen dringend notwendige Hilfe zukommen lassen. Anfangs ging es in erster Linie um Versorgung mit Strom, Lebensmitteln, Kleidung und Haushaltsartikeln, Bereitstellung von Heizmaterial im Winter, notdürftige Renovierung von Kriegsschäden an Häusern und Wohnungen, psychologische Betreuung und Schaffung von Arbeitsbedingungen durch Auftragsvergaben an lokale Betriebe (wie Schneidereien, Elektriker, Fahrdienste, etc.).

In einer Musik- und Malschule in Damaskus sollen Kinder und Jugendliche ein Musikinstrument erlernen und dabei ihr Kriegstrauma verarbeiten können. Fotos: cpd /Barjosef Im September 2017, April 2018 und Dezember 2019 konnten wir uns vor Ort von der Notwendigkeit und dem Nutzen dieses Engagements überzeugen. Neben ca. 1.000 Familien, die die Kongregation in Aleppo erreichte, kamen weitere ca. 2.000 in Damaskus, Maaloula und Al Hassake dazu. Auf die Frage, wie sie das schafft, antwortete Sr. Annie mit Tränen in den Augen: „Gott arbeitet mit kleinen Leuten". Sie ist überzeugt, dass noch mehr Menschen sich für einen Verbleib in Syrien entscheiden würden, wenn sie eine Überlebenschance für sich und ihre Familien hätten.

In dieser Hoffnung haben das Erzbistum Paderborn und der Diözesan-Caritasverband seit 2016 annähernd 400.000 € zur Verfügung gestellt, um einen kleinen Beitrag zur Linderung der Fluchtursachen zu leisten. Außerdem sollen die Menschen wissen, dass wir in Gebet und Tat bei ihnen sind.

Im Laufe der Zeit haben sich die Schwerpunkte der Arbeit von Sr. Annie verlagert. Während in einigen Bereichen die Grundversorgung weiterhin eine Rolle spielt, stehen gegenwärtig Projekte, die die Kriegswunden heilen sollen, im Mittelpunkt. Aktuell (Frühjahr 2020) werden folgende Projekte unterstützt:

  1. Musik- und Malcenter für 160 Kinder im Alter 6 -14 Jahren
  2. Sommerlager für die Teilnehmenden des Musik- und Malcenters (August 2020)
  3. Vermittlung von Zuschüssen zu dringend notwendigen ärztlichen Behandlungen
  4. Winterschuhe für 500 Kinder
  5. Nähwerkstatt für Unterwäsche in Maaloula (32 Beschäftigte)
  6. Jeansfabrik in Aleppo (19 Beschäftigte)
  7. Besuchsdienst für Ältere und Kranke in Aleppo
  8. Finanzielle Unterstützung für Studentinnen aus anderen Landesteilen an der Universität Damaskus
  9. Imkerei in Maaloula

„Assyrisches Komitee für humanitäre Hilfe und Entwicklung", Kamishli

Delegation mit Personal der medizinischen Praxis Die Caritasdelegation zusammen mit dem Personal der kostenlosen medizinischen Praxis in Kamischli. Caritas

Als Hoffnung auf eine Demokratisierung Syriens losgegangen, zeigt der Bürgerkrieg im mittlerweile zehnten Jahr seine Hässlichkeit. Die Fronten wechseln oft. Faktisch ist niemand und kein Ort sicher. Eine kleine Ausnahme bildete der Bezirk Al Hassaka im Norden Syriens. Abgesehen von einigen Zwischenfällen ist es in dem Bezirk verhältnismäßig ruhig geblieben. Dies hat gleichzeitig zur Folge, dass die Flüchtlingszahlen aus anderen Landesteilen kontinuierlich gestiegen sind. Durch starkes ehrenamtliches Engagement wird der Versuch unternommen, trotzdem das Leben erträglich zu machen, wie wir im folgenden Beispiel feststellen können.

Kamishli ist eine Stadt mit über 200.000 Einwohnern im Bezirk Al Hassaka, Nordsyrien. Sie wurde vor ca. 100 Jahren von Aramäern/Assyrern gegründet, die vor dem Völkermord im Osmanischen Reich geflüchtet waren. Heute ist sie multiethnisch und -religiös. Durch die relativ ruhige Lage suchen immer mehr Menschen hier Schutz vor dem Bürgerkrieg. Doch diese Entwicklung ist zugleich eine Ursache für Herausforderungen wirtschaftlicher und sozialer Art: Es mangelt mittlerweile an Nahrungsmitteln, Energiestoffen wie Heizöl, Strom, Benzin und Gas, die Preise steigen. Durch das Fehlen funktionierender staatlicher Strukturen bleibt die Versorgung sowohl der Alteingesessenen als auch der Geflüchteten auf der Strecke. Aufgrund dieser Entwicklung gründeten engagierte Personen das „Assyrische Komitee für humanitäre Hilfe und Entwicklung". Eins der zahlreichen Projekte dieses Komitees ist die Gründung einer Ambulanz zur kostenlosen medizinischen Behandlung – inkl. Medikamentenversorgung – für bedürftige Menschen unabhängig ihrer Ethnie oder Religion.

Eine Unterstützung dieser, hauptsächlich durch niedergelassene christliche Ärzte geführten Ambulanz, scheint uns als ein effektiver Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen vor Ort sehr sinnvoll. Die Nachfrage nach kostenloser Behandlung inklusiver Medikamentenversorgung steigt von Tag zu Tag. Um den Menschen in Kamishli und Umgebung eine Perspektive geben zu können, hat der Caritasverband für das Erzbistum Paderborn diese kleine Ambulanz anfangs mit einem Betrag von 25.000 Euro aus Spendenmitteln unterstützt. Am Palmsonntag 2017 wurde sie unter Teilnahme zahlreicher Gäste aus Kirche, Politik und Zivilgesellschaft der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Caritasverband wurde bei der Eröffnung durch Abouna Sameer Canoun, chaldäischer Priester, Kamischli, vertreten. Mehr dazu im Video.

 

Bis zum Frühjahr 2020 hat der Diözesan-Caritasverband mit mehr als 150.000 € die Arbeit dieser kleinen, aber bedeutenden Praxis unterstützt. Diese Gelder fließen ausschließlich in die Ausstattung und Erweiterung der Ambulanz, Medikamente und in die geringen Löhne des nicht-medizinischen Personals. Durchschnittlich 650 Personen pro Monat lassen sich von einem der sieben Fachärzte behandeln und mit entsprechenden Medikamenten versorgen. „Sehr nachdenklich macht uns die Tatsache, dass ehemals wohlhabende Leute diesen kostenlosen Service in Anspruch nehmen (müssen)“, so Dr. Furat Makdesi, der Leiter der Ambulanz, während seiner Begegnung mit der Caritas-Delegation im Dezember 2019 in Damaskus.

Haben Sie Interesse an einer Kooperation oder Partnerschaft mit der kostenlosen medizinischen Ambulanz in Kamishli? Wir sind gerne vermittelnd tätig.

TMS School, Beirut

Syrien und der Irak zählen zu den Hauptherkunftsländern der Flüchtlinge in Deutschland. Ähnlich sieht es auch in Bezug auf den Libanon aus: Das kleinste Land der Region ist in Relation zu seiner Einwohnerzahl das größte Aufnahmeland für Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak. Aktuell ist mehr als jeder fünfte der 5-6 Millionen Bewohner Libanons ein Flüchtling. Die meisten von ihnen hoffen, teilweise seit mehreren Jahren, auf eine Möglichkeit der Ausreise gen Westen.

 Die Geflüchteten hier haben es im Vergleich zu ihren Leidensgenossen in Europa einerseits einfacher. Sie sprechen die gleiche Sprache wie die Einheimischen, fallen äußerlich nicht auf und kennen sich mit der Mentalität der Menschen vor Ort aus. Andererseits ist das Land mit der Situation überfordert. Die meisten Geflüchteten sind in großen Flüchtlingscamps untergebracht, es herrscht absolutes Arbeitsverbot, das Schulsystem kann nicht die vielen Kinder auffangen – es droht auch hier eine „verlorene Generation". Die Wirtschaftskrise im Libanon und Proteste gegen Korruption und Misswirtschaft machen die Lage noch komplizierter. Die Auswirkungen selbst auf die Wirtschaft des Nachbarlandes Syrien sind dramatisch.

Auch wenn es ein Tropfen auf den heißen Stein war, war es dem Erzbistum Paderborn wichtig, hier einen Beitrag zu leisten. 2016 haben wir die die TMS-Schule im Stadtteil Bourj Hammoud besucht. Sie befindet sich in Trägerschaft der syrisch-orthodoxen Erzdiözese Berg Libanon und beherbergt insgesamt 375 Schülerinnen und Schüler, davon 125 Kinder aus Flüchtlingsfamilien über Religionsgrenzen hinweg. Nach Angaben der Schulleitung können die Familien in den meisten Fällen das erforderliche Schulgeld nicht aufbringen. „Es ist unsere christliche Pflicht, wissbegierige Kinder und ihre Familien nicht allein zu lassen - egal welcher Ethnie oder Religion sie angehören", beschreibt der Schulleiter Dr. Samir Kolo seine Motivation, nach Möglichkeit kein Kind abzuweisen. Die Schüler werden mit schuleigenen Bussen aus einem Umkreis von 10 km abgeholt. Sie stammen aus Familien, die außerhalb in Privatwohnungen wohnen und vermutlich für sich eine Bleibechance in der Region sehen.

Als kirchlich-private Schule ist die TMS auf Spenden aus dem In- und Ausland angewiesen. Das Erzbistum Paderborn hat für die Dauer eines Jahres pauschal 50.000 € zur Verfügung gestellt. Während eines Vor-Ort-Besuchs konnten wir uns ein Bild von der Arbeit der Schule machen, Flüchtlingskinder treffen und die Arbeit des Personals wertschätzen.