Was wächst in der Krise: Solidarität oder blanker Egoismus?

Domkapitular Dr. Thomas Witt, Flüchtlingsbeauftragter des Erzbistums Die erforderliche Evakuierung von Kindern und Jugendlichen aus griechischen Flüchtlingslagern wird über die moralische Zukunft Europas entscheiden

Paderborn, 08.04.2020 – Der Flüchtlingsbeauftragte des Erzbistums Paderborn, Domkapitular Dr. Thomas Witt, sieht in der noch immer gesellschaftspolitisch umstrittenen Evakuierung von unbegleiteten Kindern und Jugendlichen aus griechischen Flüchtlingslagern eine Frage, die über die moralische Zukunft Europas entscheidet. „Kommende Generationen werden uns auch daran messen, was in dieser Corona-Krise gewachsen ist: Solidarität oder blanker Egoismus“, erklärt Witt.“ In aller existenziellen Bedrängnis sollten wir nicht vergessen, dass es weitaus mehr Menschen gibt, denen es noch viel schlechter geht.“

Seit langem seien die katastrophalen Zustände in den Lagern auf den griechischen Inseln bekannt. „Jede Hilfe ist bislang an europäischer Uneinigkeit, Egoismus und Bürokratie gescheitert“, so Witt. Auch bloße Absichtserklärungen seien in dieser sich zuspitzenden Situation in Griechenland wenig hilfreich und stünden in krassem Widerspruch zur Entschlossenheit, mit der beispielsweise die finanziellen Folgen der Corona-Krise hierzulande bekämpft würden.

Domkapitular Thomas Witt begrüßt, dass die Bundesregierung in der Woche nach Ostern 50 minderjährige Flüchtlinge aus völlig überfüllten griechischen Lagern auf den Ägäis-Inseln aufnehmen will. Nachdem sich schon Anfang März mit Deutschland mehrere EU-Staaten grundsätzlich zur Aufnahme minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge und anderer besonders gefährdeter Personen aus Griechenland bereit erklärt hatten, gäbe es keinen Grund, weiter abzuwarten. Die Aufnahme von 50 Minderjährigen in Deutschland  kann aber nur ein erster Schritt sein. Bei etwa zehn Kindern und Jugendlichen pro halbe Million Einwohner wären das für Deutschland ca. 400 Flüchtlinge, eine Zahl, die verkraftbar sei.

Darüber hinaus mahnt der Flüchtlingsbeauftragte eine familienfreundliche Praxis an. Bei allen potentiell Einreisenden handele es sich um gesundheitlich schwer angeschlagene Kinder unter 14 Jahren. Die Trennung von ihren Familien sei schmerzhaft genug. Die Politik müsse die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass auch ihre Eltern und Geschwister unbürokratisch nachziehen können.

Das Katholische Büro in Berlin hat gegenüber der Bundesregierung die Bereitschaft aller katholischen (Erz)Bistümer, bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland zu helfen, bekundet.