"Rassismus ist Sünde"

Internationale Wochen gegen Rassismus vom 16. bis 29. März 2020: Stellungnahme des Caritasverbandes für das Erzbistum Paderborn

Deutschland hat ein Rassismus-Problem und das nicht erst seit Hanau. Der rechte Terror begann lange vor Hanau. Der Terroranschlag von Hanau zeigt, wie sich Rassismus ausbreitet und langsam in die Gedanken von Menschen eindringt, die zu den schlimmsten Taten fähig sind. Menschen zeigen ihren Rassismus und totalitäre Tendenzen immer offener. Terror beginnt eigentlich schon da, wo gehetzt, bedroht und verächtlich gemacht wird. Aktuell geht vom Rechtsextremismus, vom Antisemitismus und vom Rassismus die mit Abstand größte Gefährdung zuerst für einzelne Gruppierungen, aber auch für die Gesamtgesellschaft aus. 182 Menschen starben seit der deutschen Einheit durch rechtsextreme Gewalt.

Auch wenn in Deutschland Migration zunehmend als Normalität und nicht mehr als Ausnahmeerscheinung und Bedrohung wahrgenommen wird, werden Rassismus, Benachteiligungen, Abwertung und Ausgrenzung deshalb aber nicht verschwinden. Im Gegenteil: Bei zunehmend gelingender Integration von Migranten und der Entwicklung der Gesellschaft in Richtung einer Vielfalts-Gesellschaft, verstärken sich paradoxerweise Kräfte, die weiterhin einem Nationalismus und einer völkischen Homogenität anhängen. Diese Kräfte schrecken zunehmend nicht vor Mord und Terror zurück.

Wir sollten gewarnt sein. Nach der Gewaltwelle der frühen 1990er-Jahre entstand das rechte Terrornetzwerk Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Dazu dürfen wir es in der aktuellen Situation nicht kommenlassen. Wir sollten wachsam bleiben, Rassismus beim Namen nennen, nichts beschönigen und mit der Kraft der Zivilgesellschaft und der demokratischen Gesetze agieren.

Die Position der Caritas

Biblisch stammen die Menschen unterschiedlicher Herkunft von dem einen Adam, der einen Eva ab und haben damit alle Teil an der Gottesebenbildlichkeit dieses ersten Menschenpaares. Die Gottesebenbildlichkeit bezeichnet den zentralen Aspekt der jüdischen, christlichen sowie islamischen Lehre vom Menschen, der Mensch als Abbild Gottes. Demzufolge hat jeder Mensch Anspruch auf Achtung seiner Menschenwürde, unabhängig von Geschlecht, Abstammung, Sprache, Herkunft, religiöser oder politischer Anschauung.

„Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“ (Galater 3, 28) Mit diesen Worten hat der Apostel Paulus die Kirche als eine Gemeinschaft beschrieben, in der Unterschiede zwischen Menschen wahrgenommen werden, aber keine Trennung bei der Wertschätzung oder bei der Teilhabe an der Gemeinde zur Folge haben.

Die Lehre der Kirche zum Rassismus ist eindeutig: „Alle rassistischen Theorien widersprechen dem christlichen Glauben und der christlichen Liebe“ (Justitia et Pax 1988 Nr. 33).„Wer rassistische Gedanken oder Haltungen hegt, versündigt sich an der konkreten Botschaft Christi, für den der ‚Nächste‘ nicht nur ein Angehöriger meines Stammes, meines Milieus, meiner Religion oder meines Volkes ist, sondern jegliche Person, der ich begegne.“(Justitia et Pax 1988 Nr. 24). Das Zweite Vatikanische Konzil betont, dass Christen nicht zu Gott beten können, „wenn wir irgendwelchen Menschen, die ja nach dem Ebenbild Gottes geschaffen sind, die brüderliche Haltung verweigern. (…) Deshalb verwirft die Kirche jede Diskriminierung eines Menschen (...) um seiner Rasse oder Farbe, seine Standes oder seiner Religion willen, weil dies dem Geist Christi widerspricht“ (Nostra aetate Nr. 5).
Rassismus ist eine Sünde. Rassismus in all seinen Formen ist genau das Gegenteil der Werte, die Christinnen und Christen vertreten. Das Christentum ist nicht unpolitisch. Deutliche gesellschaftliche Signale aus allen Ebenen der Kirchen und Caritas sind heute gefragt. Kirchliche Akteure wie die Caritas müssen politischer agieren als bisher. Caritas lehnt Rassismus, Hass, Polarisierung und Abwertung als Mittel von Politik und gesellschaftlichem Diskurs entschieden ab. Auf Grund unseres Glaubens treten wir gegen Menschenverachtung, Rassismus, Abgrenzung und Abwertung ein. Aufgrund unseres Glaubens treten wir ein für Nächstenliebe, Respekt und ein solidarisches Miteinander.

Der Rassismus verstößt gegen elementare Menschenrechte und damit gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Die Ausgrenzung jener Menschen, die nicht dem rassistischem Ideal der Rechtsextremisten entsprechen, widerspricht dem Grundsatz der Gleichwertigkeit aller Menschen. Die Würde des Menschen ist bedingungs- und voraussetzungslos jedem Menschen eigen und nicht von der biologisch-genetischen Teilhabe an der Volksgemeinschaft abhängig.

Von 1933 bis 1945 verfolgten, quälten und ermordeten Nationalsozialisten unzählige Menschen aus rassistischen, antisemitischen und weiteren menschenverachtenden Gründen. Am schlimmsten traf es die Juden. Es gehörte sehr viel Mut dazu, sich gegen die Ideologen, Gewalttäter und Mörder zu wehren. Nicht viele Christen wagten es, Widerstand zu leisten.. Erst nach dem Krieg räumte die katholische Kirche, aber auch die evangelische Kirche ein, dass sie als Glaubensgemeinschaft in der Zeit des Nationalsozialismus versagt und zu wenig Mut gezeigt hatte.

Wir begrüßen deshalb ein Engagement von örtlichen Caritasverbänden unter dem Motto „Unser Kreuz hat keine Haken“. Es ist das Motto eines Netzwerks gegen Rechts, das in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche von Hannover im Dezember 2010 gegründet wurde. Das Hakenkreuz als rechtes Identifikationszeichen steht für Menschenverachtung, Rassismus und Antisemitismus. Örtliche Caritasverbände wollen sich aus dem Glauben heraus gegen diese Ideologien einsetzen und für ein respektvolles Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft eintreten.

Rassismus beim Namen nennen

In Deutschland tun wir uns oft schwer, den Begriff Rassismus zu benutzen. Die Ursache dafür liegt in der Zeit des Nationalsozialismus, für den Rassismus und Antisemitismus konstitutive Elemente waren. Vertreter von Politik, von Kirchen und Zivilgesellschaft verurteilen diese Ideologie der Nationalsozialisten und distanzieren sich davon. Deshalb möchte man den Begriff Rassismus möglichst nicht mehr benutzen, verbindet ihn überwiegend mit Rechtsextremen und spricht lieber von Fremden- oder Ausländerfeindlichkeit.

Rassismus ist aber nicht gleich Ausländerfeindlichkeit. Ausländerfeindlichkeit bezieht sich zwar auf eine ablehnende und feindselige Haltung gegen ausländische Bürgerinnen und Bürger, aber nur gegen bestimmte Ausländer. Das sieht man schon daran, dass es Menschen z. B. aus Schweden in Deutschland viel leichter haben als aus anderen Ländern oder sogar leichter als viele Menschen, die einen deutschen Pass besitzen. Der deutsche Pass alleine hilft nicht gegen rassistische Anfeindungen, Diskriminierungen oder Übergriffe. Deshalb ist es eine gefährliche Verharmlosung, wenn man statt „rassistisch“ immer nur von „ausländerfeindlich“ spricht. Hier geht es um Rassismus und nicht um Ausländerfeindlichkeit.

Fremdenfeindlichkeit ist ein Begriff, der ausdrücken soll, dass Menschen sich feindlich gegenüber anderen Menschen verhalten, weil sie ihnen fremd erscheinen – also nicht nur gegenüber Menschen, denen sie zuschreiben, Migranten und Migrantinnen zu sein, sondern auch gegenüber allen, die nicht als ihrem „Wir“ zugehörig gesehen werden. Im Endeffekt werden auch hier Menschen aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Haut- und Haarfarbe, aufgrund biologistischer Merkmale abgewertet, angefeindet oder angegriffen. Auch dies ist einfach Rassismus. Menschen, die in dieser Gesellschaft leben und Mitglieder dieser Gesellschaft sind, dürfen nicht durch einen Begriff wie „Fremdenfeindlichkeit“ zu Fremden in der Gesellschaft, in der sie leben, gemacht werden.

Es gibt keine Rassen, wohl aber Rassismus und Rassisten

Rassismus ist der Glaube, dass menschliche Populationen sich in erblich bedingten Anlagen und Merkmalen im sozialen Wert unterscheiden, so dass bestimmte Gruppen gegenüber anderen höherwertig oder minderwertig sind. Die Abwertung anderer und die Aufwertung der vermeintlichen Eigengruppe bieten verunsicherten, ängstlichen und orientierungslosen Menschen einen Gewinn an Selbstwert und Sicherheit. Der Glaube an Rassen ist hochgradig irrational. Es gibt keinen überzeugenden wissenschaftlichen Beleg, mit dem dieser Glaube gestützt werden könnte. Hellhäutige Menschen stammen nicht von anderen Vorfahren ab als dunkelhäutige. Genetische Untersuchungen haben bewiesen, dass alle Menschengruppen die gleichen Vorfahren haben.

Auch deshalb versuchen Rechtsextreme neue Begründungen für ihren Rassismus zu finden, in dem sie von einem „kulturellen Rassismus“ oder vom „Rassismus ohne Rassen“ sprechen. An die Stelle der biologischen Ungleichheit (Rasse) tritt die Ab- bzw. Aufwertung bestimmter Kulturdimensionen wie Religion oder Herkunft, die unveränderlicher Bestandteil einer Gruppe seien und die Ausgrenzung von Menschen rechtfertigen soll.

Wir treten für einen engen Rassismusbegriff ein, der sich auf biologische oder vermeintlich biologische Unterschiede von Menschengruppierungen bezieht. Wir halten es nicht für sinnvoll, jedwede Ablehnungs- und Ausgrenzungshaltung als "rassistisch" zu brandmarken.

Wofür sich einsetzen?

In der aktuellen Situation bedarf es einer großen gesamtgesellschaftlichen Kraftanstrengung mit Investitionen in soziale Betreuung, Bildungs- und Beschäftigungschancen, in den sozialen Wohnungsmarkt und interkulturelle und interreligiöse Begegnung auf lokaler Ebene. Ebenso bedarf es Investitionen in öffentliche Sicherheit und in Strafverfolgungsbehörden, um eine offensive Bekämpfung von Rassismus, Rechtsextremismus und Rechtspopulismus und eine schnellere Strafverfolgung möglich zu machen. Die konsequente Öffnung aller Regelstrukturen von der Verwaltung bis zum Bildungsbereich sowie die Verbesserung der Richtlinien zu Antidiskriminierung müssen weiterverfolgt werden.

Es braucht erhebliche Investitionen in Schulen und in die Soziale Arbeit, um diese Institutionen fachlich und strukturell qualifiziert und verlässlich auszustatten. Konzepte und Angebote für alle Zielgruppen sozialer und pädagogischer Arbeit müssen attraktiver sein als die Strategien und Angebote von Vertretern menschenverachtender Ideologien. Eine weitere Polarisierung und Radikalisierung der Jugend, die sich unter anderem in Gewalt, politischem und religiösem Extremismus und in den Wahlergebnissen der AfD unter jungen Menschen zeigt, lässt sich nur verhindern, wenn wir massiv in die soziale Infrastruktur investieren, die demokratische Zivilgesellschaft stärken und die politische Bildung wirkungsvoller machen. Wir begrüßen es, wenn z.B. die Laufzeit von Projekten im Rahmen von „Demokratie Leben“ auf fünf Jahre verlängert werden kann, wenn das geplante „Demokratiefördergesetz“ für eine dauerhafte Förderung von Initiativen gegen Extremismus bald auf denWeg gebracht wird.

Es muss darum gehen, in sozialer und pädagogischer Arbeit ein Menschenbild von Gleichwertigkeit aller Menschen zu vermitteln. Dies kann nicht mit einzelnen Veranstaltungen wie Projekttagen gelingen, sondern muss täglich gelebt werden.

Infos: Internationale Wochen gegen Rassismus: https://stiftung-gegen-rassismus.de/iwgr