Streitgespräch über Flüchtlingspolitik

Streitgespräch über Flüchtlingspolitik in der Kommende Dortmund (v.l.): Professor Dr. Reinhard Merkel, Domkapitular Dr. Thomas Witt und Dr. Andreas Fisch. pdp/Bodin Dortmund. Zu einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung trafen sich jetzt der Vorsitzende des Diözesan-Caritasverbandes Paderborn e.V. und Flüchtlingsbeauftragte des Erzbistums Paderborn, Domkapitular Dr. Thomas Witt, und Dr. Andreas Fisch, Leiter des Fachbereichs Wirtschaftsethik an der Kommende Dortmund, mit dem emeritierten Strafrechtsprofessor Dr. Reinhard Merkel (Hamburg). Das Interesse an diesem Forum im Sozialinstitut des Erzbistums Paderborn in Dortmund war groß.

Die Diskussion zum Thema Flüchtlingspolitik hatte sich an einem Gastbeitrag von Reinhard Merkel für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ entzündet. Darin spricht sich Merkel dafür aus, die „,Obergrenze' für Armutsmigranten“ auf null zu senken und die Hunderte von Milliarden, die dadurch eingespart würden, ohne Abstriche für die „wirkliche Behebung des Elends der Welt“ zu verwenden. Zwar stellt Merkel die Verpflichtung, politisch Verfolgten oder Kriegsflüchtlingen zu helfen, formal nicht in Frage, vertritt aber die Auffassung, dass nur ein Prozent der Flüchtlinge in diesem Sinne verfolgt seien.

Verschiedene Professoren für Migrationsrecht würden diese Position jedoch keineswegs teilen. Darauf weisen Domkapitular Dr. Thomas Witt und Dr. Andreas Fisch hin. Sie hatten in einer Antwort in der Herder Korrespondenz reagiert: „Wer wollte moralisch rechtfertigen, den Notleidenden, der ihm gegenübersteht, mit Vehemenz zurückzudrängen, um einem noch Bedürftigeren weit weg seine begrenzten Hilfsmittel in Aussicht zu stellen?“ Witt wandte im Gespräch ein, dass Merkels theoretischer Vorschlag einer Umwidmung der Gelder aus der Flüchtlingsintegration für die weltweite Nothilfe politisch kaum Gehör finden würde. Dem musste auch Merkel in der Kommende Dortmund beipflichten. Andreas Fisch plädierte demgegenüber für eine viel stärkere internationale Krisenprävention als das wichtigstes Mittel zur Reduzierung von Fluchtursachen, die sich in allen Politikbereichen und nicht nur für den Waffenhandel auswirken würde. Tatsächlich stammen laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR 68 Prozent aller Flüchtlinge allein aus fünf Kriegs- und Krisenländern.

Professor Reinhard Merkel sieht die weitere Aufnahme von Flüchtlingen auch begrenzt durch eine „Furcht vor Kriminalität“ und dem „Schutz der kulturellen Identität“ der Ursprungsbevölkerung. In diesem Zusammenhang sprach er von „dem politischen Islam“ und „vielen Muslimen“ als Gefährdung für die freiheitliche Gesellschaft. Merkel rief eindringlich dazu auf, die „kosmopolitische Blauäugigkeit“ aufzugeben.

Die von ihm aufgezeigte Bedrohung wollten Domkapitular Dr. Thomas Witt und Dr. Andreas Fisch in dieser Pauschalisierung nicht teilen. Zur Integration der bereits angekommenen Flüchtlinge meinte Dr. Witt: „Wir brauchen eine offene gesellschaftliche Auseinandersetzung darüber, wie wir miteinander leben wollen.“ Gerade an Konflikten und in Kompromissen könne Integration gelingen. Diese These belegten Dr. Witt und Dr. Fisch anhand von Beispielen, wie der Möglichkeit, beim schulischen Schwimmunterricht den „Burkini“, einen körperbedeckenden Schwimmanzug bis zum Hals, zuzulassen, aber auf der Pflicht zur Teilnahme wegen des Menschenrechts auf Bildung ausnahmslos zu bestehen. Problemfälle müssten weniger pauschal, vielmehr differenziert betrachtet werden. Lösungen erforderten mal den Polizeieinsatz, bräuchten ein andermal aber eher eine gute Quartiers- und Sozialpolitik und hätten manchmal einen ehrlichen interreligiösen Dialog nötig. Zum Ende hin räumte Merkel ein, dass nicht alle Muslime, sondern bestimmte Gruppen seinen Pessimismus hinsichtlich der Integration begründen.