November 2025

Liebe Engagierte in der Flüchtlingshilfe,

in diesen Tagen, da wir auf das vergangene Jahr zurückblicken, erfüllt mich eine große Dankbarkeit. Ihr unermüdlicher Einsatz, Ihre Wärme und Ihre Menschlichkeit schenken geflüchteten Menschen nicht nur Schutz, sondern auch Hoffnung. Sie sind Botschafter*innen dafür, dass Mitgefühl stärker ist als Gleichgültigkeit und dass Nächstenliebe Grenzen überwinden kann.

Das Weihnachtsfest erinnert uns daran, dass Gott in die Dunkelheit dieser Welt Licht bringt. Dieses Licht leuchtet besonders dort, wo Menschen leiden: in den zerstörten Städten der Ukraine, in den Lagern Geflüchteter aus Syrien, in den Dörfern des Sudan, in den Straßen von Gaza und an vielen anderen Orten, die von Krieg, Hunger und Verzweiflung gezeichnet sind.

Gerade in diesem und im kommenden Jahr feiern viele Flüchtlingsinitiativen ihr 10‑jähriges Bestehen. Dieses Jubiläum ist ein bewegendes Zeugnis dafür, wie aus spontaner Hilfsbereitschaft dauerhafte Strukturen der Solidarität gewachsen sind. Dafür danke ich Ihnen von Herzen – für Ihre Treue, Ihre Beharrlichkeit und Ihre Hoffnung, die Sie über ein Jahrzehnt hinweg lebendig gehalten haben.

Wir schließen all diese Menschen in unser Gebet ein und wir bitten um Frieden, der Waffen zum Schweigen bringt, Herzen versöhnt und neue Wege der Hoffnung eröffnet.

Möge das kommende Jahr uns alle näher zusammenführen – in Solidarität, im Glauben an das Gute und in der Sehnsucht nach einer Welt, in der wir menschenwürdige Antworten auf all die Herausforderungen und Krisen der aktuellen Zeit finden.

Gemeinsam mit unserem Koordinator für Flüchtlingshilfe, Herrn Hezni Barjosef, wünsche ich Ihnenund Ihren Familien gesegnete Weihnachten und ein friedvolles neues Jahr.

Ralf Nolte
Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen im Erzbistum Paderborn

 

1. Verlängerung der Ukraine-Aufenthaltserlaubnis-Fortgeltungsverordnung

Die Ukraine-Aufenthaltserlaubnis-Fortgeltungsverordnung wurde verlängert und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (BGBl. 2025 I Nr. 252). Damit gelten Aufenthaltserlaubnisse nach § 24 AufenthG für aus der Ukraine geflüchtete Personen automatisch bis zum 4. März 2027 weiter – ohne Antragstellung. Grundlage ist der EU-Durchführungsbeschluss vom 15. Juli 2025, der den vorübergehenden Schutz wegen des andauernden Krieges um ein weiteres Jahr verlängert. Die Regelung betrifft ukrainische Staatsangehörige sowie bestimmte Drittstaatsangehörige und Staatenlose, die am 24.02.2022 in der Ukraine Schutz genossen oder dort mit unbefristetem Aufenthaltstitel lebten. Auch Familienangehörige dieser Gruppen sind eingeschlossen. Die automatische Verlängerung entlastet die Asylsysteme und schafft rechtliche Sicherheit für die Betroffenen. Mehr

2. Gesetzespläne zu Bürgergeld für Ukraine-Geflüchtete: Kritik an Kürzungen und Integrationsrisiken

Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf beschlossen, der vorsieht, neu ankommenden Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine ab dem 1. April 2025 kein Bürgergeld mehr zu gewähren. Stattdessen sollen sie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten – deutlich geringer, etwa 441 Euro für Alleinstehende statt 563 Euro. Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) begründet den Schritt mit einer Vereinbarung im Koalitionsvertrag, räumt jedoch selbst Skepsis ein.

Kritikerinnen und Kritiker aus Jobcentern und Wohlfahrtsverbänden warnen, dass die Kürzungen die Integration in den Arbeitsmarkt erschweren könnten. Gerade das Bürgergeld habe bisher den Zugang zu Sprachkursen und Vermittlungsprogrammen erleichtert. Zudem ist der finanzielle Effekt fraglich: Während beim Bürgergeld Einsparungen von rund 1,1 Milliarden Euro erwartet werden, entstehen durch die Asylleistungen Mehrausgaben von etwa 1,3 Milliarden Euro – unter anderem wegen höherer Kosten für Gesundheitsversorgung und Unterbringung.

Das Gesetz muss noch Bundestag und Bundesrat passieren. Für bereits im Bürgergeld befindliche Geflüchtete gilt eine Übergangsregelung. Wohlfahrtsverbände betonen, dass eine schnelle und nachhaltige Arbeitsmarktintegration entscheidend bleibt – nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Gesellschaft insgesamt.

3. Obligatorische Anschlussversicherung für Geflüchtete: Land übernimmt die Kosten für die Krankenkassenbeiträge

Die obligatorische Anschlussversicherung (OAV) soll sicherstellen, dass Personen nach dem Ende eines Arbeitsverhältnisses weiterhin krankenversichert sind. Auch Geflüchtete, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erhalten und zeitweise gearbeitet haben, fallen unter diese Regelung. Nach Beschäftigungsende bleibt die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bestehen, doch die Beiträge von etwa 250 Euro monatlich müssen selbst gezahlt werden. Im Gegensatz zu manchen anderen Bundesländern übernimmt in NRW das Land diese Kosten. Das Ministerium verpflichtet die Sozialämter per Erlass vom 25. August 2025 zur Kostenübernahme, um Versicherungslücken und Verschuldung zu vermeiden. Geflüchtete erhalten dadurch Klarheit und Sicherheit.

4. Fachinformation des DRK-Suchdienstes zum Familiennachzug

Der DRK-Suchdienst hat eine aktuelle Fachinformation zur Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten veröffentlicht. Im Mittelpunkt steht die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Aufnahme nach §22 AufenthG (Härtefälle) möglich ist. 

Die Fachinformation bietet:

  • Vertiefte rechtliche Einordnung mit besonderem Fokus auf offene Rechtsfragen
  • Praxisnahe Hinweise für die Beratung zum Familiennachzug
  • Eine Word-Vorlage zur strukturierten Antragstellung nach §22 AufenthG, die hilft, alle relevanten Angaben vollständig zu erfassen

Für Berater*innen, die sich intensiv mit der Thematik befassen, ist die Fachinformation besonders empfehlenswert.

Ein wichtiger Hinweis für die Praxis: Es ist sehr hilfreich, wenn volljährige Angehörige in Deutschland eine Vollmacht von ihren Familienmitgliedern erhalten. So können sie im Namen der Angehörigen Anträge stellen und gegebenenfalls anwaltliche Unterstützung beauftragen. 

5. Neues SVR-Factsheet: Zuwanderung zum Zweck der Erwerbstätigkeit

Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) veröffentlicht sein neuestes Factsheet zum Thema Zuwanderung zum Zweck der Erwerbstätigkeit. Es erläutert, dass es verschiedene legale Einreisemöglichkeiten nach Deutschland gibt, um Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. In den letzten Jahren wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen für Arbeitsmigration deutlich liberalisiert. Die OECD stuft Deutschland bereits seit langem als eines der liberalsten Länder im Bereich hochqualifizierter Beschäftigung im OECD-Raum ein.

Ein zentrales Element ist das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FKEG) von 2020, das die Zuwanderungsoptionen vor allem für beruflich qualifizierte Fachkräfte ausweitet und sie weitgehend den akademisch qualifizierten Fachkräften gleichstellt. Ergänzend wurde 2023 ein Paket zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung eingeführt, das den rechtlichen Rahmen weiter ausbaut und den deutschen Arbeitsmarkt auch für Personen mit ausländischen Qualifikationen öffnet, die nicht in Deutschland automatisch anerkannt sind.

Im Faktenpapier werden die Zugangsmöglichkeiten für Drittstaatsangehörige zum deutschen Arbeitsmarkt übersichtlich dargestellt. Es werden Voraussetzungen, Verfahren, Dauer und Chancen erläutert sowie praktische Hinweise zur Antragstellung gegeben. Neben dem FKEG werden weitere legale Wege beschrieben, wie z. B. Arbeitsvisa, Blaue Karte EU, Aufenthaltserlaubnisse zur Arbeitsplatzsuche und weitere Modelle zur Erwerbstätigkeit. Ziel ist es, Leserinnen und Leser fundiert zu informieren, damit sie die passenden Optionen erkennen und gezielt nutzen können.

6. BVerfG stärkt Grundrechtsschutz in Flüchtlingsunterkünften

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem aktuellen Beschluss klargestellt, dass das Betreten eines Zimmers in einer Flüchtlingsunterkunft durch die Polizei zum Zweck der Abschiebung eine „Durchsuchung“ im Sinne von Art. 13 Abs. 2 Grundgesetz darstellt. Damit ist ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss zwingend erforderlich. Hintergrund war die Verfassungsbeschwerde eines Asylsuchenden, dessen Zimmer ohne richterliche Anordnung aufgebrochen und betreten wurde. Das Gericht gab der Beschwerde statt und stärkte damit den Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung auch für Bewohnerinnen und Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften. Der Beschluss verdeutlicht, dass Grundrechte unabhängig vom Aufenthaltsstatus gelten und staatliche Eingriffe einer strengen Kontrolle unterliegen. Für die Praxis bedeutet dies, dass Abschiebungen künftig nur unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Anforderungen durchgeführt werden dürfen.

7. Caritas-Vorstand: Rückführungen nach Syrien wären fatal

Caritas-Vorstand Oliver Müller warnt eindringlich vor Rückführungen nach Syrien. Er bezeichnet die Diskussion darüber als „fatales Signal“ für Integration und Vertrauen in Deutschland. Die Lage in Syrien sei weiterhin katastrophal: 70 % der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, ein Drittel der Häuser ist zerstört, fast die Hälfte der Krankenhäuser nicht funktionsfähig, Millionen Kinder können nicht zur Schule gehen. Hinzu kommen extreme Preissteigerungen für Lebensmittel und Energie sowie eine instabile Sicherheitslage mit Gewalt und Kriminalität.

In Deutschland sind nur etwa 1 % der Syrerinnen und Syrer ausreisepflichtig, 99 % besitzen einen gültigen Aufenthaltstitel. Dennoch sorgt die Debatte für große Verunsicherung – selbst bei Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit. Müller betont, dass syrische Geflüchtete längst Teil der Gesellschaft sind: als Nachbarn, Kolleg*innen, Ärzt*innen, Pfleger*innen oder Unternehmer*innen. Besonders im Gesundheitswesen leisten rund 7.000 syrische Ärztinnen und Ärzte unverzichtbare Arbeit.

Die Caritas fordert daher: Schutz für Geflüchtete, Stärkung der Integration, Sicherung humanitärer Hilfe und Unterstützung des Wiederaufbaus in Syrien. Politische Diskussionen müssten sich an Fakten orientieren, nicht an Symbolpolitik. Rückführungen wären nicht nur gefährlich, sondern auch ein Rückschritt für das gemeinsame Zusammenleben in Deutschland. Mehr

8. Syrien: Uneinheitliche Rechtsprechung zu Abschiebungen – Gerichte zwischen individueller Gefahr und politischer Debatte

Die Urteile der Verwaltungsgerichte Köln und Düsseldorf zu syrischen Abschiebefällen zeigen die Spannbreite der aktuellen Rechtslage: Während Köln Abschiebungen vorerst stoppte, ließ Düsseldorf sie zu. Dies spiegelt die Unsicherheit nach dem Regimesturz in Syrien vor einem Jahr und die politische Debatte über Rückführungen wider.

Das Verwaltungsgericht Köln entschied am 31.10.2025 (Az. 27 L 2543/25.A), dass die Klage eines syrischen Staatsangehörigen gegen seine Abschiebeandrohung aufschiebende Wirkung hat. Das Gericht sah hinreichende Erfolgsaussichten, da im Einzelfall eine Verletzung von Art. 3 EMRK (Verbot unmenschlicher Behandlung) nicht ausgeschlossen sei.

Demgegenüber lehnte das Verwaltungsgericht Düsseldorf am 04.11.2025 (Az. 17 L 3613/25.A und 17 L 3620/25.A) die Eilanträge zweier Syrer ab. Es stellte fest, dass in den Regionen Damaskus und Latakia keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine ernsthafte Bedrohung bestehe. Eine allgemeine Notlage oder drohende Verelendung sei nicht zu erwarten. 

Diese gegensätzlichen Entscheidungen stehen im Kontext des Regimesturzes in Syrien Ende 2024, der die bisherige Annahme einer generellen Gefährdung erschütterte. Während einige Gerichte weiterhin individuelle Risiken betonen, sehen andere die Lage als stabilisiert. Politisch ist die Diskussion durch Außenminister Johann Wadephul geprägt, der jüngst betonte, Rückführungen nach Syrien seien „kurzfristig nur sehr eingeschränkt möglich“. Seine Einschätzung stößt innerhalb der Union auf Widerspruch, da Teile der Politik eine „Rückführungsoffensive“ fordern. 

Für Engagierte in der Flüchtlingshilfe bedeutet dies: Die Rechtslage bleibt uneinheitlich, individuelle Schutzgründe müssen sorgfältig geprüft werden, und die politische Linie ist noch nicht abschließend geklärt. 

9. Längere Aufnahmepflicht in NRW: Entlastung für Kommunen, Belastung für Integration

Am 5. November 2025 hat Nordrhein-Westfalen das „Ausführungsgesetz Asylgesetz (AG AsylG)“ verabschiedet. Es erlaubt, Geflüchtete und Asylbewerber bis zu 24 Monate in landeseigenen Aufnahmeeinrichtungen wohnen zu lassen. Ausgenommen sind vulnerable Gruppen wie Familien mit Kindern, ältere Menschen ab 65, Menschen mit Behinderungen, Schwangere sowie Personen mit schweren Erkrankungen. Ziel ist die Entlastung der Kommunen, die bislang kurzfristig Wohnraum und Integrationsangebote bereitstellen mussten. Kritisch zu sehen ist jedoch, dass eine so lange Unterbringung in Sammelunterkünften die Integration erheblich verzögert: Sprachkurse, Arbeitsmarktchancen und soziale Kontakte bleiben eingeschränkt, während Isolation und psychische Belastungen zunehmen können. Auch menschenrechtlich wirft die Regelung Fragen auf, da sie die Bewegungsfreiheit einschränkt und Geflüchtete faktisch „verwahrt“. Kurzfristig mag das Gesetz die Kommunen entlasten, langfristig drohen jedoch höhere soziale Kosten und eine verstärkte Ausgrenzung.

10. Diskriminierungsumfrage des Bundes

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes führt derzeit die bislang größte Studie zu Diskriminierung durch. Mit den neuen Ergebnissen soll eine aktuelle, fundierte Grundlage dafür geschaffen werden, gezielte Maßnahmen gegen Diskriminierung zu entwickeln und anzupassen. Ziel ist, konkrete Verbesserungen im Leben aller Menschen zu erreichen und gleichzeitig Diskriminierung sichtbarer zu machen. Die Umfrage läuft vom 12.11.2025 bis 28.02.2026. Es können alle Menschen ab 14 Jahren teilnehmen, die in Deutschland Diskriminierung erlebt haben. Hier finden Sie mehr Informationen. Leiten Sie diese Umfrage gerne weiter.

_________________      

Gut zu wissen ...

Immer wieder erreichen uns Fragen nach Rechtsprechung und Erlassen u.a. zu Dublin-Verfahren, Aufenthaltsrecht, Asylrecht, AsylbLG. Um Redundanzen zu vermeiden möchten wir an dieser Stelle auf die Entscheidungsdatenbank des Informationsverbundes Asyl & Migration verweisen. Interessierte können außerdem den Newsletter des Informationsverbundes abonnieren. An dessen Ende steht immer eine Übersicht zur aktuellen Rechtsprechung.

________________

Herausgeber: Ralf Nolte, Flüchtlingsbeauftragter

Redaktion: Hezni Barjosef, Koordination Flüchtlingshilfe im Erzbistum Paderborn,