Oktober 2019

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe ehrenamtlich und hauptamtlich Engagierte in der Flüchtlingshilfe im Erzbistum Paderborn!

Die größte Gruppe von Flüchtlingen, die derzeit an den griechischen Inseln ankommen, sind Afghanen. Unter ihnen sind viele, die seit Jahren im Iran gelebt haben. Seit sich aufgrund der amerikanischen Sanktionen die wirtschaftliche Lage dort verschärft hat, kommen sie vermehrt. Auch für Syrer hat sich einiges geändert: in der Provinz Idlib sind vier Millionen Menschen eingeschlossen, die bei erneuten Kämpfen Richtung türkische Grenze fliehen würden. Und in der Türkei leben viele Syrer, die nicht in Nordsyrien in dem von Erdogan geplanten „Friedenskorridor“ angesiedelt werden wollen, aus dem wiederum die kurdische Bevölkerung flüchtet oder vertrieben werden wird. Niemand kann sagen, ob sich 2015 wiederholen wird. Aber wie damals sind wieder Menschen unterwegs auf der Flucht vor Krieg, Unterdrückung und Armut. Zuerst in die Nachbarländer und irgendwann auch nach Europa. Die Flüchtlingsaufnahmekrise 2015 war nicht nur wegen der hohen Zahl der Asyl- und Schutzsuchenden eine Krise, sondern auch deshalb, weil niemand vorbereitet war. Ist die EU heute besser gewappnet? Zuletzt gab es keine Einigung beim EU-Innenministertreffen am 08.10.2019 in der Frage des Notfallmechanismus für Flüchtlinge. Es gab keinen wesentlichen Fortschritt im Vergleich zu 2015. Niemand könnte dann behaupten, überrascht worden zu sein. In Deutschland mögen das BAMF, Landesregierungen und Kommunalverwaltungen mittlerweile besser aufgestellt sein, aber mit Blick auf die aktuelle Polarisierung der Gesellschaft in der Debatte und in den Konflikten um die Aufnahme von Flüchtlingen und Migration insgesamt, müssen wir uns fragen, ob wir politisch und gesellschaftspolitisch vorbereitet sind.

In dieser Woche feiern unsere jüdischen MitbürgerInnen das Laubhüttenfest. Die Hütte zum Laubhüttenfest steht als Symbol für die 40-jährige Wanderschaft in der Wüste, nachdem das Volk von Moses durch den Willen Gottes aus ägyptischer Gefangenschaft befreit wurde. Die Hütte befindet sich entweder im Garten, auf dem Hof oder auch auf dem Balkon, Hauptsache unter freiem Himmel. Das Bauen der Laubhütte soll den Gläubigen auch daran erinnern, dass sich der Mensch auf Materielles in der Welt nicht verlassen kann und es jederzeit verloren gehen kann. Gott hingegen ist unvergänglich – so kann ihm vertraut werden.

Es grüßt Sie herzlich

Domkapitular Dr. Thomas Witt
Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen im Erzbistum Paderborn und Vorsitzender des Caritasverbandes für das Erzbistum Paderborn e.V.

 

1. Flüchtlinge in Deutschland vermissen Respekt gegenüber Älteren

Die Autoren einer Expertise des Forschungsbereichs des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration wollten durch eine Befragung herausfinden, inwiefern sich Wertvorstellungen von Flüchtlingen von denen der deutschen Mehrheitsgesellschaft unterscheiden. Den Ergebnissen der nicht repräsentativen Studie zufolge nehmen 80 Prozent der Flüchtlinge wahr, dass es Deutschen sehr wichtig sei, dass das Gesetz alle Menschen gleich behandelt. Für die Gesellschaft ihres Herkunftslandes finden das nur 57 Prozent. Dass die Gleichberechtigung der Geschlechter den Deutschen wichtig sei, finden 85 Prozent. Für ihr Herkunftsland nimmt das nur rund die Hälfte (49 Prozent) wahr. Sich auf diese Unterschiede einzustellen, fällt den Flüchtlingen der Studie zufolge aber „sehr“ oder „eher“ leicht. Schwerer fällt Flüchtlingen der Studie zufolge der Umgang mit Unterschieden bei der Gleichbehandlung Homosexueller. Schwer fällt Flüchtlingen der Studie zufolge auch der Umgang mit von ihnen wahrgenommenen Unterschieden mit der Familie und älteren Menschen. Viele von ihnen finden demnach, dass sich die Menschen in Deutschland mehr für sich als die Familie interessieren und vermissen Respekt gegenüber Älteren. Des Weiteren formuliert die Studie Konsequenzen für integrationspolitische Maßnahmen beim Umgang mit den angesprochenen Themen. Mehr

 

2. Arbeitsschutz in Deutschland – das Wichtigste im Überblick

Mit der immer besser gelingenden Integration von geflüchteten Menschen in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt steigt gleichzeitig der Bedarf an Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz. Das Landesinstitut für Arbeitsgestaltung (LIA) hat eine neue Publikation herausgegeben. Diese steht in Deutsch und den Hauptherkunftssprachen von Flüchtlingen zur Verfügung. Hauptsächlich geht die Publikation zwei Fragen nach: Was muss der Arbeitgeber tun? Was muss der Arbeitnehmer tun? Außerdem werden hilfreiche Ansprechpersonen und zuständige Institutionen benannt. Mehr

 

3. Situation von Flüchtlingen aus „sicheren“ Herkunftsstaaten in NRW

Nicht zuletzt seit der jüngsten Gesetzesverschärfung im Sommer 2019 wird die Verweildauer in den Landesaufnahmeeinrichtungen länger, die Teilhabe der dort lebenden Menschen am gesellschaftlichen Leben immer schwieriger. Ehrenamtliche können die Isolation der oft abgelegenen Massenunterkünfte durchbrechen und den Bewohnerinnen und Bewohnern bei der Wahrnehmung ihrer Rechte zur Seite stehen. Aber wer sind überhaupt die richtigen Ansprechpartner, wenn man sich für die Schutzsuchenden in einer Landesaufnahmeeinrichtung engagieren möchte? Was gibt es dabei zu beachten und wie kann eine sinnvolle Unterstützung der Bewohner und Bewohnerinnen aussehen? Insbesondere für Ehrenamtliche in und um Aufnahmeeinrichtungen des Landes NRW könnte eine neue Broschüre des Flüchtlingsrates NRW zur Situation von Flüchtlingen aus sog. sicheren Herkunftsstaaten in NRW interessant sein. Mehr

 

4. DRK Blutspendedienst - Aufklärungskampagne für mehr Blut- und Stammzellenspenden von Migranten in NRW

Menschen haben evolutionsbedingt unterschiedliche Blutgruppen aber auch unterschiedliche Erkrankungsrisiken. Die Blutgruppen von Menschen hängen von deren Herkunftsregion ab und unterscheiden sich teils wesentlich von denen der Menschen aus anderen Regionen. Bei der Bluttransfusion müssen Blutgruppen berücksichtigt werden, deshalb ist auch die Erweiterung der Blutvorräte um kompatible Konserven erforderlich geworden. Diese Lücke soll mit BluStar.NRW geschlossen werden. Das ist ein „Verbund zur Typisierung potentieller Blut- und Stammzellspender unter Migranten in Nordrhein-Westfalen“ unter Beteiligung des DRK-Blutspendedienstes West und anderen Kooperationspartnern. Das Projekt wendet sich an Menschen mit entsprechendem Migrationshintergrund, die derzeit bei Blutspenden noch deutlich unterrepräsentiert sind. Insbesondere bei Menschen aus Afrika oder dem Nahen und Mittleren Osten kann es zu Problemen kommen, weil ihr Blut andere Eigenschaften und damit verbundene Unverträglichkeiten aufweist. Gezielt werden Menschen gesucht, deren Herkunft außerhalb der EU liegt, um sie als Blut- und Stammzellspender zu gewinnen. Diese Menschen sollen im Rahmen des Projektes über die Notwendigkeit der Blut- und Stammzellenspende informiert und zur Blutspende motiviert werden. Aus rechtlichen Gründen ist es wichtig, dass die Blutspender sich mit dem medizinischen Personal vor Ort beim Blutspendetermin auf Deutsch verständigen können. Die nächsten Termine in der Nähe sind hier. Für weitere Informationen steht Projektkoordinatorin Tanja Reimer () zur Verfügung.

 

5. Lebenssituation von Flüchtlinge in Unterbringungseinrichtungen des Landes NRW

Der NRW Flüchtlingsrat hat das Forum „Landesunterbringung“ eingerichtet. Es soll Einblicke in die Lebenssituation von Flüchtlingen in Unterbringungseinrichtungen des Landes NRW ermöglichen und Hintergrundinformationen, Erfahrungs- und Medienberichte, Hinweise auf Aktionen und Initiativen sowie eine Austauschmöglichkeit in einem moderierten Forum bieten. Der NRW Flüchtlingsrat bittet Ehrenamtliche und Hauptamtliche in der Flüchtlingshilfe zum Gelingen des „Forum Landesunterbringung“ beizutragen u.a. durch Erfahrungsberichte (vom Verfasser oder Verfasserin verantwortet). Medienberichte und Informationen über Aktionen und Initiativen mit Bezug auf Landesunterkünfte können an den NRW Flüchtlingsrat via Kontaktadresse geschickt werden.

 

6. Regelungen zur Ausbildungsförderung für Geflüchtete

Zum 1. August und zum 1. September 2019 sind zwei Gesetzesänderungen in Kraft getreten, die den Zugang zu den Leistungen während einer Ausbildung für Menschen mit Aufenthaltsgestattung, Duldung und bestimmten Aufenthaltserlaubnissen grundlegend ändern. Viele Betroffene, die bislang keine oder nur mit langen Voraufenthaltsfristen Leistungen der Ausbildungsförderung erhalten konnten, haben nun einen Anspruch auf Leistungen. Zugleich ist die Förderlücke im Asylbewerberleistungsgesetz während einer Ausbildung weitgehend geschlossen worden. Eine tabellarische Übersicht der Fachstelle Einwanderung des IQ Netzwerks ist hier.

 

7. Arbeitshilfe "Soziale Rechte für Geflüchtete - Das Asylbewerberleistungsgesetz"

Aufgrund der umfangreichen gesetzlichen Neuerungen im Bereich des Asylbewerberleistungsgesetzes, die am 21. August bzw. am 1. September 2019 in Kraft getreten sind, hat der Paritätische Gesamtverband eine Kurz-Arbeitshilfe zum Asylbewerberleistungsgesetz herausgegeben. Hierbei handelt es sich um eine teilweise Vorabveröffentlichung einer umfangreichen Arbeitshilfe „Soziale Rechte für Flüchtlinge“, die später in diesem Herbst in 3. Auflage erscheinen soll. Insbesondere die zahlreichen Sanktionen im Sozialleistungsbezug werden ausführlich behandelt.

 

8. Widerrufsverfahren durch Familiennachzug nicht verhindern

Laufende Widerrufsverfahren dürfen vor dem rechtskräftigen Abschluss keine Auswirkungen auf Visumsverfahren zum Familiennachzug haben. Dies hat das Bundesministerium des Inneren (BMI) am 9. Juli 2019 mitgeteilt. Laut der Auskunft des BMI auf eine parlamentarische Anfrage ist Voraussetzung für den Familiennachzug zu einer in Deutschland lebenden schutzberechtigten Person, dass deren Aufenthaltstitel nicht erloschen sein darf. Dies sei bis zum erfolgten Widerruf nicht der Fall. Die Auslandsvertretungen seien darüber unterrichtet, „dass ein Aufenthaltstitel solange besteht, bis er erlischt“. Hintergrund der Anfrage waren Berichte darüber, dass in einigen Fällen die Bearbeitung von Visumsanträgen zum Familiennachzug mit Hinweis auf laufende Widerrufsprüfverfahren ausgesetzt worden sein soll.

 

9. Handreichung zum Umgang mit Einreise- und Aufenthaltsverboten

Im Fall einer Zurückschiebung oder Abschiebung erlässt das BAMF ein zeitlich befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot, eine sogenannte Wiedereinreisesperre. Bei Personen aus den sog. sicheren Herkunftsstaaten sowie Personen, die einen Zweit- oder Folgeantrag gestellt haben, kann darüber hinaus eine Wiedereinreisesperre sogar bei freiwilliger Ausreise verhängt werden. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hat eine Handreichung mit Informationen zu Einreise- und Aufenthaltsverboten nach § 11 AufentG im Zusammenhang mit erfolglosem Asylverfahren mit Stand Juli 2019 zusammengestellt. Sie informiert über die Kriterien, die das Bundesamt bei der Bestimmung der Befristungsdauer anlegt, und enthält außerdem Hinweise auf Möglichkeiten, eine erteilte Wiedereinreisesperre nachträglich verkürzen oder aufheben zu lassen.

 

10. Kaum noch Erfolgschancen im Kirchenasyl

In weniger als zwei Prozent der in diesem Jahr vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geprüften Fälle übernahm die Behörde aus humanitären Gründen das Asylverfahren und verzichtete von sich aus auf eine Abschiebung. Nur fünf positive Entscheidungen zu Kirchenasylfällen gab es bis Ende August 2019 bei 292 Ablehnungen. Zugleich ist die Zahl der Selbsteintritte des BAMF im 2. Quartal 2019 drastisch eingebrochen gegenüber dem vorherigen Quartal (und schon davor war ein steter Rückgang zu verzeichnen) und zwar um mehr als zwei Drittel. Die aktuelle Quote geht aus einer Antwort der Bundesregierung an die Linksfraktion im Bundestag hervor. Das Innenministerium betont, man prüfe mögliche humanitäre Härtefälle einheitlich, egal wer dies beantrage. In einem Großteil der Kirchenasyl-Fälle hätten bereits Gerichte den Negativ-Bescheid des BAMF bestätigt. Wenn Gemeinden ihr Kirchenasyl allein auf Argumente stützten, die bereits von einem Gericht geprüft seien, bestehe das BAMF in der Regel auf einer Ausreise. Will eine Kirchengemeinde die Abschiebung dennoch verhindern, muss der Flüchtling bis zu 18 Monate in den Kirchenräumen leben, bis die Frist zur Rückführung in einen EU-Staat abgelaufen ist.

 

11. BAMF-Flyer zu Berufssprachkursen (gem. § 45a Aufenthaltsgesetz)

Diese Berufssprachkurse sind ein Sprachlernangebot für Menschen mit Migrationshintergrund, die ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern wollen. Ein Flyer informiert zu den Fragen: Was sind die Berufssprachkurse? Wer kann teilnehmen? Was lernen Sie in den Kursen? Was kostet die Teilnahme am Kurs? Was erreichen Sie mit einer erfolgreichen Teilnahme am Kurs? Wie können Sie sich anmelden?

 

12. Familiennachzug aus Griechenland im Rahmen der Dublin-Verordnung

Drastisch gesunken ist auch die Chance auf Familienzusammenführung in Deutschland für Flüchtlinge, die in Griechenland leben. Während auf griechischen Inseln Zehntausende Flüchtlinge unter oft katastrophalen Bedingungen leben, haben jene, die Angehörige in Deutschland haben, nur geringe Chancen, zu ihnen ziehen zu dürfen. Im zweiten Quartal 2019 hat die Bundesregierung 84 Mal einem entsprechenden Antrag Griechenlands zugestimmt - und 366 Anträge zur Familienzusammenführung abgelehnt. Die Erfolgsquote aller griechischen Übernahmeersuche lag bei 17 Prozent. Im Quartal davor betrug sie noch 31 Prozent; im gesamten Vorjahr lag sie bei knapp 40 Prozent und 2017 bei 81 Prozent. Grundlage der Zu- und Absagen seien individuelle Prüfungen der Einzelfälle, so die Bundesregierung.

 

13. Bericht zu unbegleiteten Minderjährigen in Griechenland

Für die mehr als 3.500 unbegleiteten Minderjährigen stehen in Griechenland weiterhin nicht genug kindgerechte Unterbringungskapazitäten zur Verfügung. Die „Hotspots“ auf Lesbos, Chios und Samos sind heillos überfüllt, teilweise mit 300 Prozent über ihrer „Auslastungsgrenze“. Mangelversorgung, körperliche und sexualisierte Gewalt gehören für viele zum Alltag. Viele Minderjährige versuchen daher auf eigene Faust und auf gefährlichen Wegen der Situation in Griechenland zu entkommen. Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe müssen oft mit unzureichenden Informationen über das, was unbegleitete Minderjährige auf dem Weg nach Deutschland mitgemacht haben, arbeiten. Ein Bericht des Bundesfachverbandes für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge stellt daher sowohl die rechtlichen Rahmenbedingungen als auch die faktische Situation für Minderjährige in Griechenland dar und hilft bei der Einordnung praktischer, verfahrensrelevanter Fragen; etwa derjenigen, wie eine bestimmte Altersangabe in eine Datenbank gelangt oder warum das Verfahren zur Familienzusammenführung nicht vorangeht.

 

14. Überblick kompakt: Die ehrenamtliche Vormundschaft

Unbegleitete minderjährige Schutzsuchende benötigen in Deutschland die Betreuung durch einen Vormund. Eine solche Vormundschaft kann durch das Jugendamt übernommen werden, aber auch durch Ehrenamtliche. Hier stehen die wichtigsten Informationen und Materialien zum Thema zur Verfügung, z.B.: Wie kommt es zur Vormundschaft?, Formen der Vormundschaft, Wie werde ich ehrenamtlicher Vormund? Rechte und Pflichten eines Vormundes, Begleitung und Unterstützung im Asylverfahren, Wann endet die Vormundschaft? Und wie geht es dann weiter?

 ________________________________

Herausgeber: Domkapitular Dr. Thomas Witt
Redaktion: , Koordination Flüchtlingshilfe im Erzbistum Paderborn,
                 , Caritasverband für das Erzbistum Paderborn e.V.