September 2023

1. Mehrsprachige Basisinformationen zum freiwilligen Engagement

Die 2022 in deutscher Sprache erschienene Neuauflage (aktualisiert zuletzt im Juli 2023) beinhaltet praktische Informationen für alle, die sich freiwillig für geflüchtete Menschen einsetzen - etwa zu Themen wie Pflichten und Standards des freiwilligen Engagements (Rechtsdienstleistungsgesetz, Datenschutz, Selbstreflexion beim Engagement, Sorgfaltspflichten etc.), Versicherungsschutz und Entgelt im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeiten sowie dem Umgang mit Anfeindungen. Ab sofort liegen die Informationen auch in den Sprachen Arabisch, Englisch, Französisch, Persisch, Russisch und Ukrainisch vor. Mehr

2. Policy Paper mit Ukraine-Fokus zu Menschenhandel und Ausbeutung Minderjähriger sowie Unterbringung

Im Rahmen des von terre des hommes geförderten Kooperationsprojekts „Vorbild Ukraine? Hilfesysteme der Zukunft”, haben die Arbeitsgemeinschaft zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Ausbeutung (ECPAT Deutschland e.V.) der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) und die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BafF) die spezielle Aufnahmesituation von geflüchteten Minderjährigen aus der Ukraine und ihre spezifischen Implikationen überprüft und analysiert, sowie mit früheren großen Fluchtbewegungen verglichen. In diesem Kontext sind zwei Policy Paper entstanden. Unterbringung für minderjährige Geflüchtete und Risiken für Menschenhandel und Ausbeutung auf der Flucht und im Ankunftsland.

3. Broschüre „Beratung von Schutzsuchenden“

Als Beilage zum Asylmagazin 7–8/2023 ist die Broschüre "Beratung von Schutzsuchenden – Aktuelle rechtliche Neuerungen und Hinweise für die Beratungspraxis" erschienen. Nun steht sie bei asyl.net online zur Verfügung. Sie behandelt verschiedene Themen rund um die Flüchtlingsberatung, unter anderem zur Einführung der Bundesförderung zur Asylverfahrensberatung, zu den Änderungen im AsylG und zur Beratung zur Niederlassungserlaubnis für Inhaber*innen humanitärer Aufenthaltstitel. Mehr

4. UNICEF-Studie zur Situation von Kindern in Flüchtlingsunterkünften

Die gemeinsame Studie von UNICEF Deutschland und dem Deutschen Institut für Menschenrechte beleuchtet die Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen in Unterkünften für geflüchtete Menschen in Deutschland. Die Studie lässt vor allem geflüchtete Kinder und Jugendliche selbst zu Wort kommen. Aus ihren Schilderungen, die im Kontrast zu ihren Rechten stehen, leiten UNICEF Deutschland und das Deutsche Institut für Menschenrechte Empfehlungen davon an Bund, Länder und Kommunen ab. Fazit: Für Familien mit Kindern eignet sich die dezentrale Unterbringung am besten. Die nicht repräsentative Studie können Sie hier lesen. Die Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse finden Sie hier.

5. Wohnsitzauflage ist integrationshemmend

Mit dem Integrationsgesetz 2016 wurde die Wohnsitzregelung in §12a AufenthG eingeführt und drei Jahre später als integrationspolitisches Instrument dauerhaft entfristet. Im Gesetz ist auch eine Evaluationsklausel enthalten. Der entsprechende Auftrag wurde an empirica ag und an die Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder vergeben. Nun liegen die Ergebnisse vor und wurden auf der Website des BAMFs veröffentlicht. Einige der Kernaussagen aus der Zusammenfassung:

  • Die Wohnsitzregelung wirkt eher negativ auf die Wohnraumversorgung.
  • Die Wohnsitzregelung wirkt neutral auf den Erwerb von deutschen Sprachkenntnissen.
  • Die Wohnsitzregelung wirkt eher negativ auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit.
  • Die Wohnsitzregelung scheint nicht zu einer Vermeidung sozialer Ausgrenzung beizutragen.
  • Die Wohnsitzregelung hat die Kapazitäten der Integrationsinfrastruktur in einigen Orten entlastet.
  • Die Wohnsitzregelung stellt eine große Hürde für die Inanspruchnahme dar und erzeugt in Bezug auf die Einzelfälle einen hohen bürokratischen Aufwand. Ferner stellt sie Frauenhäuser vor finanzielle Risiken.
  • Die Wohnsitzregelung verhindert potenziell integrationsfördernde Umzüge.

Die Studie finden Sie hier.

6. IMK-Beschluss zu Abschiebungen in den Iran

Per Umlaufverfahren hatte die IMK beschlossen, dass bis Ende 2023 keine Abschiebungen in den Iran durchgeführt werden sollen. Während einige der anderen Bundesländer diesbezüglich Erlasse veröffentlicht haben, lässt das in NRW auf sich warten. Solange kann ein entsprechender Hinweis auf der Homepage des Städte- und Gemeindebundes NRW hilfreich sein. Mehr

7. Geflüchtete aus dem Irak müssen sich auf härtere Zeiten einstellen

Offensichtlich gibt es neue Entwicklungen hinsichtlich der Abschiebungen in den Irak. Diese sollten im Beratungsalltag zumindest ernst genommen werden. Bereits im Mai hatte Tagesschau.de von einer entsprechenden Kooperation zwischen Deutschland und dem Irak berichtet. Neulich hat auch der Flüchtlingsrat NRW Bezug auf einen Erlass vom 07.05.2021 genommen und in einer Pressemitteilung die verstärkten Abschiebungsbemühungen in NRW kritisiert. Auch einzelne Kolleg*innen berichten von ersten Erfahrungen, wonach Iraker*innen aufgefordert werden, ihrer Mitwirkungspflicht nachzukommen. Diese Entwicklung ist offiziell mit der Öffentlichkeit (noch) nicht kommuniziert, Abschiebungen in den Irak scheinen aber in anderen Bundesländern gängige Praxis zu sein, wie der DCV uns mitgeteilt hat.

8. Digitale Gesundheitskompetenz und Migration

Obschon Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland einen großen Teil der Bevölkerung (27%) ausmachen, ist das Wissen über ihre Gesundheitskompetenz – verstanden als Fähigkeit, Gesundheitsinformationen in unterschiedlicher Form finden, verstehen, beurteilen und anwenden zu können – gering, so die Autoren des Strategiepapiers „Digitale Gesundheitskompetenz und Migration. Empfehlungen für die Interventionsentwicklung“ von der Universität Bielefeld und der Hertie-School. Darin enthalten sind sieben Empfehlungen, die nicht allein für Menschen mit Migrationshintergrund relevant sind, sondern für die gesamte Bevölkerung:

  • Förderung der Gesundheitskompetenz vorantreiben und dabei soziale Unterschiede beachten.
  • Den unterschiedlichen lebensweltlichen Bedingungen Aufmerksamkeit widmen.
  • Bestehende Informationsangebote bekannter machen und gezielter verbreiten.
  • Besonderheiten des Informationsverhaltens beachten.
  • Digitale und analoge Ansätze kombinieren.
  • Interventionsentwicklung partizipativ gestalten und strukturell berücksichtigen.
  • Weitere Forschung/Bedarfserhebungen notwendig.

9. Informationen zu Suchtrisiken auf Ukrainisch

Mit zwei neuen Übersetzungen ins Ukrainische hat die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) ihr Broschürenportfolio erweitert: Die Broschüren „Informationen zu Alkohol und anderen Drogen“ und „Drogen? Alkohol? Tabletten?“ wurden mit freundlicher Unterstützung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) für die Zielgruppe angepasst und übersetzt. Beide Hefte informieren sowohl über Substanzen als auch deren Risiken und zeigen auf, wo und wie Betroffene Hilfe erhalten können. Der kostenlose Download beider Broschüren im DHS Bestellcenter ist ab sofort möglich. Dort stehen gleichzeitig auch weitere mehrsprachige Broschüren zu unterschiedlichen Gesundheitsthemen zur Verfügung.

10. Geplante Mittelkürzungen der Bundesregierung gefährden die Existenz vieler Stellen

Deutschland erlebt die höchsten Zahlen an Neuzugewanderten seit 1945 - allein 1,2 Millionen aus der Ukraine - und fördert die Einwanderung von Arbeitskräften, die dringend gebraucht werden. Statt die Beratung und Begleitung der Zugewanderten auszubauen, um die Integration für alle Beteiligten erfolgreich zu gestalten, plant die Bundesregierung Kürzungen, u.a. für die Jugendmigrationsdienste (JMD), Migrationsberatung für Erwachsene (MBE), behördenunabhängige Asylverfahrensberatung (AVB Bund) und die Psychosozialen Zentren (PSZ). Wird der Entwurf des Bundeshaushalts wie angekündigt umgesetzt, könnten bundesweit 30-50 % aller geförderten Stellen dem Sparzwang zum Opfer fallen. Die genauen Auswirkungen in unserem Zuständigkeitsbereich sind bis dato noch nicht bekannt. Jedoch dürften dann viele Jahrzehnte Kompetenz und Erfahrung sowie bestehende und erprobte Strukturen und Netzwerke aufgegeben werden.

Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtpflege sehen darin eine massive Gefährdung der psychosozialen Versorgung und Teilhabemöglichkeiten von Geflüchteten und Migrant*innen. Auch örtliche Träger haben im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages für eine Korrektur der geplanten Kürzungen geworben. In zahlreichen Gesprächen mit den zuständigen Bundestagsabgeordneten haben sie auf die fatalen Folgen hingewiesen. Zum Glück haben neulich, wie zahlreiche Medien übereinstimmend berichten,  auch die Landesintegrationsminister*innen ebenfalls in einem Brief an die Bundesinnenministerin und die Bundesfamilienministerin die geplanten Kürzungen kritisiert und zur Rücknahme aufgefordert.

11. Bundesaufnahmeprogramm AFG - bald sollen erste Personen einreisen können

Am 17.10.2022 hat die Bundesregierung das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP AFG) angekündigt. Darüber – unabhängig vom Aufnahmeprogramm für Ortskräfte – sollen monatlich bis 1.000 vulnerable Personen „aus Afghanistan“ einreisen können. Rein rechnerisch wären das in dieser Legislaturperiode 36.000 Personen. Wie die Bundesregierung mitgeteilt hat, ist mit Stand Mitte September noch keine Person darüber eingereist, erste Einreisen sollen jedoch bald möglich sein.

Menschen, die noch (oder wieder) in Afghanistan leben, können ausschließlich über sogenannte meldeberechtigte Stellen (MBS) für das Aufnahmeprogramm vorgeschlagen werden. Diese sind leider aus Sicherheitsgründen nur intern bekannt. Demnächst soll eine Übersicht der ca. 70 MBS durch das Auswärtige Amt veröffentlicht werden. Die bekannteste von ihnen ist die Kabul Luftbrücke.

12. Jesuiten Flüchtlingsdienst: Extreme Not in Bulgarien nach Dublin-Rücküberstellung

Schon seit Jahren steht Bulgarien bei NGOs in der Kritik wegen seines Umgangs mit von türkischer Seite einreisenden Flüchtlingen - angefangen von Pushbacks über Inhaftierung, Schläge und Essensentzug bis hin zu völliger Untätigkeit nach der erzwungenen Abgabe von Fingerabdrücken. Weniger bekannt war bisher, wie es den nach Dublin-Verordnung aus Deutschland rücküberstellten Flüchtlingen in Bulgarien ergeht. Die meisten Verwaltungsgerichte folgen in Klageverfahren den Ausführungen des BAMF, dass Dublin-Rückkehrer keine Menschenrechtsverletzungen (mehr) zu fürchten haben, anders ausgedrückt: dass die dortige Aufnahme von Flüchtlingen und die Durchführung von Asylverfahren keine systemischen Mängel aufweist.

Der JRS, der Beratung für Abschiebungshäftlinge in den bayerischen Einrichtungen in Eichstätt und Hof leistet, hat nun erstmals Kontakt zu Betroffenen, die kürzlich nach Bulgarien zurückgeschoben wurden, aufgenommen und ihre Erfahrungen dokumentiert. Den Bericht finden Sie hier.

Gut zu wissen …

Immer wieder erreichen uns Fragen nach Rechtsprechung und Erlassen u.a. zu Dublin-Verfahren, Aufenthaltsrecht, Asylrecht, AsylbLG. Um Redundanzen zu vermeiden möchten wir an dieser Stelle auf die Entscheidungsdatenbank des Informationsverbund Asyl & Migration verweisen.

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Herausgeber: Ralf Nolte, Flüchtlingsbeauftragter

Redaktion: Hezni Barjosef, Koordination Flüchtlingshilfe im Erzbistum Paderborn,