Weihnachten 2023

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Engagierte in der Geflüchtetenhilfe im Erzbistum Paderborn,

vor knapp einem Jahr habe ich das Amt des Flüchtlingsbeauftragten übernommen. In dieser Zeit durfte ich in Präsenz und digital viele engagierte Menschen kennenlernen. Und das ist mit Sicherheit nur ein Bruchteil einer großen „Dienstgemeinschaft“, die im Sinne unserer christlichen Botschaft ihrem Nächsten dient. Ich möchte die Weihnachtsausgabe unseres Newsletters dafür nutzen, um all diesen wunderbaren Menschen - auch im Namen unseres Diözesanadministrators – herzlich zu danken und ein Vergelt`s Gott auszusprechen.

Gerne hätte ich mit Ihnen am Ende eines wiedermal turbulenten Jahres eine positive flüchtlingspolitische Bilanz gezogen. Doch Schlagzeilen aus Ländern wie der Ukraine, Syrien, Afghanistan, Somalia, Jemen, Mali etc. sprechen leider eine andere Sprache. Hinzu kommen noch dramatische Szenen vor unserer Haustür auf dem Mittelmeer und an den EU-Außengrenzen. Besonders beunruhigend ist die Eskalation im Geburtsland des menschgewordenen Gottes.

Der drückende Berg von Kriegen, Krisen, Verelendung, Verzweiflung und weiteren globalen Herausforderungen wie Inflation und Klimawandel könnte einen manchmal zum Verzweifeln bringen. Jedoch die Heilsbotschaft Jesu Christi und die Hilfsbereitschaft einer sehr großen Zahl von Menschen wie Sie hält uns aufrecht und gibt uns Hoffnung für das kommende Jahr. Bitte werden Sie trotz der auch bei uns nicht immer leichten Situation nicht müde, Ihr Engagement in vielfältigen Formen fortzusetzen. Lassen Sie uns Menschen vor unserer Tür Hoffnung auf eine bessere Zukunft schenken.

Hezni Barjosef und ich wünschen Ihnen und Ihren Liebsten ein friedvolles Weihnachtsfest und Gottes reichen Segen für das neue Jahr.

Ihr Ralf Nolte, Diözesan-Caritasdirektor und Flüchtlingsbeauftragter

 

1. Neuer Rekord: 114 Million Menschen auf der Flucht

Vom 13. bis 15. Dezember fand in Genf nach 2019 das zweite Weltflüchtlingsforum der Vereinten Nationen statt. Dieses Forum stellt den Überprüfungsmechanismus für den Globalen Flüchtlingspakt dar, den die Generalversammlung der Vereinten Nationen 2018 angenommen hat. Das Refugee Forum ist eine Konferenz, die auf Ministerebene organisiert wird und zu der die an der Umsetzung des Pakts beteiligten Partner (Staaten, Privatsektor, Zivilgesellschaft usw.) geladen werden. Deutschland wurde durch die Entwicklungsministerin Svenja Schulze vertreten. Im Mittelpunkt der Beratungen standen neben der Bekämpfung der chronischen Unterfinanzierung die Suche nach Lösungen für eine der größten aktuellen Herausforderungen unserer Zeit. Als unumstritten gilt die Unterstützung der Länder, die die meisten Geflüchteten aufnehmen. "Dreiviertel der Flüchtlinge dieser Welt sind in Entwicklungs- und Schwellenländern. Und die sind oft damit überfordert, für diese Flüchtlinge wirklich Perspektiven zu bilden", so die Entwicklungsministerin. Auf der Konferenz wurde leider ein trauriger Rekord bekanntgegeben: Weltweit sind mittlerweile 114 Millionen Menschen auf der Flucht – so viel wie seit dem zweiten Weltkrieg nicht.

Auf der Konferenz konnten auch zivilgesellschaftliche und kirchliche Organisationen ihre Projekte zur Bekämpfung der Fluchtursachen vorstellen. Einige der Good Practice Beispiele finden Sie hier.

2. Wer nimmt in der EU die meisten Geflüchteten auf?

Laut Online-Plattform Statista werden in der EU die meisten Asylanträge in Deutschland gestellt. Das zeigt der Vergleich mit den restlichen Ländern der Europäischen Union auf Basis von Eurostat-Daten. Die Gesamtzahl der in der EU gestellten Asyl-Erstanträge ist 2022 gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen, von 537.355 auf 881.220 – das entspricht einem Anstieg von rund 64 Prozent. Davon entfielen 217.735 Anträge auf Deutschland (entspricht einem Anteil von rund 25 Prozent), gefolgt von Frankreich (137.510 Anträge) und Spanien (116.135 Anträge). Die meisten Antragssteller in Deutschland kamen 2022 aus Syrien, gefolgt von Afghanistan, der Türkei und dem Irak. Hinzu kommen die etwa eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer, die vor dem Krieg in ihrem Land geflohen sind und weiterhin in Deutschland leben. Sie müssen kein reguläres Asylverfahren durchlaufen und tauchen daher in der Asyl-Statistik nur in geringer Zahl auf. Mehr

Weitere gut verständliche statistische Angaben finden Interessierte in einem Beitrag des Online-Magazins MiGazin hier.

3. Neue Fact Sheets der Caritas über Flucht und Migration

In der Oktoberausgabe hatten wir auf informative Faktenblätter der Caritas zur aktuellen Debatte um Flucht und Migration hingewiesen. Diese wurden nunmehr um weitere Themen erweitert und finden bundesweit große Beachtung. Neu sind die Fact Sheets:

  • Sachleistungen und Bezahlkarte im Asylbewerberleistungsgesetz
  • Möglichkeiten und Grenzen eines Pflichtdienstes
  • Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit und die geplanten Änderungen im Staatsangehörigkeitsgesetz

Ergänzend dazu sei auf einen Beitrag der Robert-Bosch-Stiftung hingewiesen, die in Kooperation mit Mixed Migration Centre die gängigsten 6 Mythen über Migration zu entkräften versucht. Mehr

4. EuGH: Eltern anerkannter Kinder haben keinen Anspruch auf denselben Schutz wie das Kind

In einem Fall in Belgien hat der EuGH am 23.11.23 entschieden, dass der Vater eines international schutzberechtigten Kindes zwar Anspruch auf familiäre Einheit hat, jedoch nicht auf den Schutzstatus wie das Kind selbst. Geklagt hatte ein Mann aus Guinea, der selbst keine Voraussetzungen für internationalen Schutz erfüllte. Daraufhin berief er sich auf den bereits bestehenden Schutz seiner Kinder. Die Richter in Straßburg verneinten sein Ansinnen, befürworteten jedoch die Wahrung der familiären Einheit z.B. durch die Ausstellung eines Aufenthaltstitels. (Urteil: C-374/22)

5. Visumspflicht für Familiennachzug – Ausländerbehörde darf die Frist nicht überspannen

In einem richtungweisenden Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht am 02.11.2023 die Rechtsprechung mehrerer Gerichtsinstanzen in Bayern kassiert und einer fragwürdigen Praxis beim Familiennachzug zu anerkannten Flüchtlingen Grenzen gesetzt. Im Fall eines Vaters aus Äthiopien, der zunächst ausreisen und vom Ausland aus einen Antrag auf Visum zwecks Familiennachzug stellen sollte, sah das Gericht eine Verletzung der Grundrechte des Beschwerdeführers. „Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück“ so das Gericht in seiner Begründung weiter. (Az. 2-BvR 441/23).

6. Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Neue Regelungen treten in Kraft

Am 18. November 2023 trat ein Teil der Neuerungen in Kraft, die im August mit dem "Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung" beschlossen worden waren. Kurz vor dem Inkrafttreten der Neuregelungen wurde durch eine weitere Gesetzesänderung die Möglichkeit für Asylsuchende blockiert, eine Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft zu erhalten. Der Informationsverbund Asyl & Migration stellt hier die wichtigsten Änderungen vor.

7. Rechtsberaterkonferenz übt scharfe Kritik am „Rückkehrverbesserungsgesetz“

Anlässlich ihrer Tagung Ende November in Stuttgart hat sich die Rechtsberaterkonferenz, ein mit den Wohlfahrtsverbänden zusammenarbeitender bundesweiter Zusammenschluss von Rechtsanwält*innen im Migrations- und Flüchtlingsrecht, mit einer Pressemeldung zum sogenannten Rückkehrverbesserungsgesetz geäußert. Aus Sicht der Expert*innen sind zahlreiche Änderungen bedenklich oder gar eklatant rechtswidrig. Dies betrifft etwa die Möglichkeit, bei Abschiebungen Zimmer von Unbeteiligten betreten zu dürfen. Weiterhin kritisieren die Anwält*innen auch die geplanten Kürzungen der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Die gesamte Pressemeldung kann hier heruntergeladen werden.

8. Neue Leistungssätze im AsylbLG ab 01. Januar 2024

Die Höhe der Unterstützung für Personen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, wird zum 1. Januar 2024 angepasst. Für schutzberechtigte Personen, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, ist durch Änderungen im SGB II und im SGB XII eine Reduzierung der zur Auszahlung kommenden Leistungen vorgesehen. Die neuen Leistungssätze sowie weitere Erläuterungen dazu finden Sie hier auf der Seite des Informationsverbund Asyl & Migration.

9. Schutzstatus der Geflüchteten aus der Ukraine wurde bis März 2025 verlängert

Am 24. November 2023 hat der Bundesrat seine Zustimmung zur Ukraine-Aufenthaltserlaubnis-Fortgeltungsverordnung erteilt. Am 4. Dezember 2023 wurde die Verordnung im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Diese hat unmittelbare Auswirkungen auf die schon erteilten Aufenthaltserlaubnisse zum vorübergehenden Schutz für die wegen des Krieges in der Ukraine geflüchteten Personen. Mit dieser Verordnung werden ab dem 1. Februar 2024 noch gültige Aufenthaltserlaubnisse zum vorübergehenden Schutz automatisch bis zum 4. März 2025 verlängert. Für eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse müssen die Geflüchteten die zuständige Ausländerbehörde nicht aufsuchen. Neben dem BMI-Länderschreiben stehen Kurzinformationen auf Ukrainisch, Russisch und Englisch zur Verfügung.

10. Interkulturelle Woche 2024 – Einladung zur bundesweiten Vorbereitungstagung

In 2023 fanden im Rahmen der IKW Veranstaltungen in rund 700 Städten, Gemeinden und Landkreisen statt. Zwecks Vorbereitung einer hoffentlich noch größeren Resonanz im kommenden Jahr laden die Organisator*innen am 23./24. Februar 2024 nach Magdeburg ein. Geplant sind Podiumsdiskussionen und Arbeitsgruppen unter anderem mit dem Migrationsforscher Gerald Knaus, dem Sozialaktivisten und Autor Ali Can, Sachsen-Anhalts Integrationsministerin Susi Möbbeck, sowie Vertreter*innen von PRO ASYL, UNHCR, dem Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt, der Diakonie, der Caritas und vielen anderen. „Wir möchten uns dem Motto NEUE RÄUME auf vielfältige Art und Weise nähern, uns austauschen und uns vernetzen. Außerdem stellen wir die Motive und Materialien zur Interkulturellen Woche 2024 vor“, so die Organisator*innen in der Einladung. Der reguläre Tagungsbeitrag liegt bei 80 Euro. Ehrenamtliche aus dem Erzbistum Paderborn können für die Teilnahme einen Zuschuss aus dem Flüchtlingsfonds beantragen. Das Tagungsprogramm und eine Anmeldemöglichkeit finden Sie hier.

Gut zu wissen …

Immer wieder erreichen uns Fragen nach Rechtsprechung und Erlassen u.a. zu Dublin-Verfahren, Aufenthaltsrecht, Asylrecht, AsylbLG. Um Redundanzen zu vermeiden möchten wir an dieser Stelle auf die Entscheidungsdatenbank des Informationsverbund Asyl & Migration verweisen.

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Herausgeber: Ralf Nolte, Flüchtlingsbeauftragter

Redaktion: Hezni Barjosef, Koordination Flüchtlingshilfe im Erzbistum Paderborn,