Dr. Thomas Witt über das Dublin-Verfahren für Flüchtlinge

Portrait Dr. Thomas Witt Domkapitular Dr. Thomas Witt ist Vorsitzender des Caritasverbandes für das Erzbistum Paderborn und seit Februar 2016 zusätzlich Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen. cpd Paderborn, 12. Dezember 2016. Als "Armutszeugnis für Europa" bewertet Domkapitular Dr. Thomas Witt, Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen im Erzbistum Paderborn und zugleich Vorsitzender des Diözesan-Caritasverbandes, die Empfehlung der EU-Kommission, nach der ab März 2017 für Griechenland wieder das so genannte Dublin-Verfahren beim Flüchtlingszuzug gelten soll. Demnach müssten Flüchtlinge auch in Deutschland damit rechnen, wieder nach Griechenland zurückgeschickt zu werden, wenn sie über dieses Land in die EU eingereist sind. "Europa bürdet Griechenland einseitig Lasten auf, an denen dieses Land scheitern wird", betont Dr. Witt. "Die von der EU angenommenen Verbesserungen in den griechischen Aufnahmeeinrichtungen können Hilfsorganisationen nicht bestätigen." Die EU-Empfehlung sei in höchstem Maße unsolidarisch und diene vor allem dem Zweck, an die Flüchtlinge das Signal zu senden: Kommt besser nicht! "Letztlich tritt hinter dem Anliegen, die Zahl der Flüchtlinge zu verringern, das Anliegen unseres Grundgesetzes, Verfolgten Schutz zu gewähren, immer mehr in den Hintergrund", so Dr. Witt.

Statt auf eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge innerhalb Europas zu drängen, setze Europa auf Abschreckung. Dies sei jedoch eine trügerische Hoffnung. „Menschen, die nichts mehr zu verlieren haben, werden sich auch durch Bilder aus überfüllten griechischen Flüchtlingslagern nicht abschrecken lassen." Man müsse auf Jahre hinaus mit dauerhaft hohen Flüchtlingszahlen rechnen und daher mit ganz neuen Instrumenten reagieren. „Das Dublin-Verfahren bildet angesichts der neuen Dimension in der Flüchtlingsfrage keine Lösung und sollte möglichst schnell ‚beerdigt´ werden", betont Dr. Witt. „Asyl- und Schutzsuchende sollen in Deutschland auch dann einen Antrag auf Anerkennung als Flüchtling stellen können, wenn sie über ein sicheres Herkunftsland gekommen sind. Entscheidend sind die Ursachen, die jemanden dazu bringen, sein Herkunftsland zu verlassen."

Zahlen aus dem Jahr 2015 zeigen, dass das Dublin-Verfahren für Deutschland keine „Entlastung" bringt. Deutschland hat im Vorjahr fast 45.000 Übernahmeersuchen an andere EU-Staaten gestellt, aber nur knapp 3.600 sind vollzogen worden. Da andere EU-Staaten mehr als 3.000 Asylsuchende zuständigkeitshalber nach Deutschland schickten, reduzierte sich für Deutschland die Zahl der Asylsuchenden um nicht einmal 600 Personen.