Juli 2021

1. Afghanische Familienangehörige nicht im Stich lassen

Der Sonderbeauftragte für Flüchtlingsfragen im Erzbistum Paderborn, Josef Lüttig, appellierte in einer Pressemitteilung vom 14.07.2021 an die Politik, die Familienangehörigen von in Deutschland anerkannten Flüchtlingen nicht ihrem Schicksal zu überlassen. Die meisten ausländischen Kräfte haben Afghanistan bereits verlassen. Von Tag zu Tag wird sichtbarer, dass die Taliban die Macht an sich reißen und das Leben dort extrem erschweren werden. Während die Bundesregierung den Ortskräften, die für deutsche Sicherheitskräfte in Afghanistan gearbeitet haben, erleichterte Einreisebedingungen in Aussicht gestellt hat, ist das Anliegen einreiseberechtigter Familienangehörigen kein Thema in den Medien. Engste Familienangehörige von anerkannten Flüchtlingen müssen seit 2017 bei den deutschen Vertretungen in Indien und Pakistan vorsprechen, um einen Visumsantrag stellen zu können. Teilweise sind mehrfache Vorsprachen erforderlich, ehe es zu einer Visumsausstellung kommt. Einige Betroffene haben jahrelange Trennungen zu beklagen. Zu den erschwerten Reisebedingungen und hohen Kosten kommt nunmehr die Befürchtung, die Extremisten könnten noch mehr Steine in den Weg legen. Der Flüchtlingsbeauftragte macht sich für eine zügige Abarbeitung vorliegender Anträge stark, damit das lange Warten endlich ein Ende hat. Mehr

2. Einladung: Rettungskette für Menschenrechte unterstützen

Die für Mai 2020 geplante Rettungskette musste coronabedingt mehrfach verschoben werden. Nun soll sie am Samstag, 18.09.2021 stattfinden. Geplant wird eine Menschenkette, die von Hamburg bis ans Mittelmeer reicht. Damit wollen die Initiatoren ein Zeichen gegen die Menschenrechtsverletzung im Mittelmeer setzen. Parallel bereitet der Verein eine Petition an den Ausschuss des Europäischen Parlaments vor.

In den nächsten Tagen werden Generalvikar Hardt und der Flüchtlingsbeauftragte mit einem gemeinsamen Schreiben alle Dekanate und Caritasverbände entlang der Route anschreiben und zur Unterstützung dieser grenzüberschreitenden Aktion motivieren. Vielleicht möchten auch Sie bei der Realisierung mitwirken und ggf. mit begleitenden Veranstaltungen oder Gottesdiensten auf die Situation im Mittelmeer aufmerksam machen. Nähere Informationen finden Sie hier.

3. EuGH: Neue Voraussetzungen für die Anerkennung subsidiären Schutzes

Am 10. Juni 2021 hat der europäische Gerichtshof (EuGH) ein bedeutendes Urteil hinsichtlich der Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gefällt. Das Urteil ist für die nationalen Gerichte bindend und hat direkte Konsequenzen für die Rechtspraxis in Deutschland. Dies ist insbesondere für laufende Verfahren und neue Antragstellungen von Bedeutung, aber auch für bereits erfolgte Ablehnungen, bei denen eine Abschiebung droht.

Was ist neu? Für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes haben deutsche Gerichte bisher vorausgesetzt, dass die schutzsuchende Person stichhaltige Gründe liefert, dass ihr im Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als solcher gilt eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Das Bundesverwaltungsgericht hat bislang sogar die Ansicht vertreten, eine quantitative Ermittlung des „Tötungs- und Verletzungsrisikos“ sei zwingende Voraussetzung für die Anerkennung.

Der EuGH hingegen hat nun entschieden, dass die Regelung der EU-Anerkennungsrichtlinie und damit des § 4 Absatz 1 Nr. 3 AsylG dahin auszulegen ist, dass zur Feststellung, ob eine „ernsthafte individuelle Bedrohung“ im Sinne dieser Vorschrift gegeben ist, eine umfassende Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der die Situation des Herkunftslandes des Antragstellers kennzeichnenden Umstände, erforderlich ist. Dazu gehören alle mit dem Herkunftsland verbundenen Tatsachen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag relevant sind. Konkret können insbesondere die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der beteiligten Streitkräfte und die Dauer des Konflikts als Faktoren berücksichtigt werden, ebenso wie andere Gesichtspunkte, etwa das geografische Ausmaß der Lage willkürlicher Gewalt, der tatsächliche Zielort des Antragstellers bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder Gebiet und die Aggression der Konfliktparteien gegen Zivilpersonen, die eventuell mit Absicht erfolgt ( C-901/19).

4. Kirchenasyl rechtfertigt keine Leistungskürzung durch das Sozialamt

Am 24.06.2021 hat das Bundessozialgericht entschieden, dass ein sogenanntes offenes Kirchenasyl keine Leistungskürzungen gem. §2 AsylbLG begründet. Geklagt hatte eine Frau aus Äthiopien, die 2017 erfolgreich ihre Überstellung nach Italien verhindern konnte.

Die schwerbehinderte Äthiopierin war 2016 nach Deutschland eingereist und sollte im Rahmen der Dublin-Verordnung nach Italien überstellt werden. Von Februar bis September 2017 fand sie Schutz in einer fränkischen Kirchengemeinde. Anschließend wurde ihr Asylverfahren in Deutschland fortgesetzt. Als sie nach Ablauf der 15-Monatsfrist Analogleistungen gem. SGB XII beantragte, lehnte das zuständige Sozialamt ihren Antrag ab. Begründung: rechtsmissbräuchliche Verlängerung der Aufenthaltsdauer. Sowohl das Sozialgericht Bayreuth als auch das Bayerische Sozialgericht bestätigten die Argumentation des Sozialamtes. Das Bundessozialgericht in Kassel dagegen hob die Urteile der Vorinstanzen auf und verpflichtete das Sozialamt zur Leistungsgewährung in ungeminderter Höhe. Der Staat habe faktisch auf die Durchsetzung der Ausreisepflicht verzichtet. Daraus könne man der Betroffenen kein rechtsmissbräuchliches Verhalten unterstellen (AZ: B 7 AY 4/20 R).

5. Bundesamt bleibt beim restriktiven Umgang mit Kirchenasylen

Der Evangelische Pressedienst (epd) berichtete am 02.07. über neue Zahlen zum Kirchenasyl. Diese stammen aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der LINKEN zur ergänzenden Asylstatistik, die hier verfügbar ist. Wie aus der Antwort hervorgeht, endeten 2020 nur acht von mehr als 300 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gemeldeten Kirchenasyle mit der Entscheidung, dass die Betroffenen in Deutschland bleiben durften. Von Januar bis Ende Mai 2021 wurden sieben Härtefälle anerkannt, wie das Bundesamt auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) mitteilte. Bereits in den ersten fünf Monaten 2021 wurden demnach mehr als 300 Kirchenasyle gemeldet. Auch aktuell sind Dublin-Fälle die Mehrheit im Kirchenasyl: 2020 hatten den Angaben zufolge nur 23 der insgesamt 358 Fälle keinen Dublin-Bezug, in den ersten fünf Monaten dieses Jahres laut Bamf 16 von insgesamt 337. Das Bundesamt verweist darauf, dass Kirchenasyle auch nach einer erneuten Ablehnung des Asylbewerbers selten von Seiten der Kirchengemeinden beendet werden. Trotz Ablehnung hätten in 2020 92 Prozent der Betroffenen das Kirchenasyl nicht verlassen.

6. Grenzen für das Auslesen und Verwerten von Handy-Daten Asylsuchender

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist ohne das Ausschöpfen milderer Mittel nicht befugt, Asylsuchende zur Preisgabe ihrer Handyzugangsdaten zu verpflichten, deren Handys auszuwerten und die so erlangten Daten der Entscheidung über den Asylantrag zugrunde zu legen. Das stellt das Verwaltungsgericht Berlin klar. Es hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung und der Auslesung des Handys hätten mildere Mittel eingesetzt werden können, wie etwa die Auswertung und Überprüfung der von der Klägerin überreichten Dokumente, die erst nachträglich vorgenommen worden seien. Ein Auslesen und Speichern auf Vorrat sei unzulässig. Da die Erhebung der Daten rechtswidrig gewesen sei, habe auch der Ergebnisreport nicht verwertet werden dürfen. VG Berlin, Urteil vom 01.06.2021 – VG 9 K 135/20 A

7. Freie Wohlfahrtspflege NRW: „Weiterhin Geflüchtete aus griechischen Lagern aufnehmen

Die Freie Wohlfahrtspflege NRW appellierte anlässlich des Internationalen Tags des Flüchtlings am 20. Juni an Landes- und Bundesregierung wieder Geflüchtete aufzunehmen, die zu unerträglichen Bedingungen in griechischen Lagern ausharren. „Seit Jahren leben dort Schutzsuchende in provisorischen Behausungen unter prekären hygienischen Verhältnissen – das ist menschenverachtend“, sagt der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege NRW, Dr. Frank Johannes Hensel. Mehr

8. Rassebegriff bleibt im Grundgesetz

Der Begriff "Rasse" wird in dieser Legislaturperiode weiter im Grundgesetz stehen. Für eine Änderung liege kein Gesetzentwurf vor, hieß es aus der CDU-Bundestagsfraktion Anfang Juni 2021. Eine kurzfristige Neuformulierung sei deshalb nicht zu erwarten. Vorgeschlagen wurde zuletzt, dass in Artikel 3 ein Verbot von Diskriminierung aus "rassistischen Gründen" stehen solle. Diskutiert wird darüber seit Jahren. Im Artikel 3 des Grundgesetzes heißt es, dass niemand wegen "seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden" darf. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes wollten damit 1949 ein deutliches Zeichen gegen den Rassenwahn der Nazis setzen. Die Formulierung legt aber nahe, dass es unterschiedliche Menschenrassen gibt. Die Wissenschaft ist sich einig, dass es keine unterscheidbare menschliche Rassen gibt. Wer von "Rasse" spricht, macht sich also die Kategorien von Rassisten zu eigen, lautet die Kritik. Es dürfte erst mal kein Gerichtsurteil anders ausfallen, weil die "Rasse" noch im Grundgesetz steht und nicht durch eine andere Formulierung ersetzt wurde. Denn schon jetzt interpretieren Gerichte das Gesetz so, dass es vor Rassismus schützen soll. Es geht bei der nun gescheiterten Änderung eher um ein wichtiges Symbol: dass sich die Betroffenen von Rassismus nicht auf einen rassistischen Begriff berufen müssen, um ihre Rechte geltend zu machen. Der "Rasse"-Begriff könnte doch recht bald aus dem Grundgesetz verschwinden. Denn bis auf die AfD sind eigentlich alle im Bundestag vertretenen Parteien dafür.

9. Handreichung: Voraussetzungen für Berufsausbildung und Berufsausbildungsförderung für Geflüchtete

Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. hat eine hilfreiche Broschüre veröffentlicht. Das Referat Integration und Migration des DCV hat die Entstehung fachlich begleitet und empfiehlt den Einsatz des Papiers im Beratungsalltag. Es richtet sich vorrangig an die Fachkräfte der Migrationsdienste sowie an Arbeitsmarktakteure und Behörden, kann aber als gute und fundierte Informationsquelle für interessierte Ehrenamtliche dienen. Das Papier ist dem Gedanken früher Arbeitsmarktintegration verpflichtet. Es ist anhand von Maßnahmen bzw. Förderinstrumenten gegliedert. Innerhalb der jeweiligen Maßnahmen werden jeweils die vier Statusgruppen Asylsuchende, Personen mit einer Duldung, Schutzberechtigte (=im Asylverfahren anerkannte Personen) sowie Inhaberinnen und Inhaber anderer humanitärer Aufenthaltstitel erörtert. Es behandelt für die genannten Personenkreise die Themen Beschäftigungserlaubnis; Förderinstrumente, einschließlich Sprachförderung für die Vorbereitung einer Berufsausbildung; Förderinstrumente für die Durchführung einer Berufsausbildung; Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderungen; räumliche Beschränkungen und Wohnsitzregelungen als weitere Voraussetzungen sowie die zielgruppengerechte Ausgestaltung der Berufsausbildung. Mehr

10. Unterstützung für junge Geflüchtete und ihre Familien durch die Kinder- und Jugendhilfe

Im Rahmen des Projekts „Jugendhilfe macht’s möglich – Rechte junger Geflüchteter und ihrer Familien stärken” hat der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) mit Eltern und Erziehungsberechtigten ein Plakat zu Unterstützungsbedarfen ihrer Kinder und Jugendlichen erarbeitet. Es soll als kleiner Anstoß dienen und Familien auf ihr Recht auf Unterstützung durch die Kinder- und Jugendhilfe aufmerksam machen. Das Plakat ist in verschiedenen Sprachen unter Bestellnummer 5020 kostenlos bestellbar (zzgl. Versand). Download hier.

11. Behindertenhilfe und Flüchtlingshilfe - Informationen

Handicap International hat auf einer neuen Internetseite Informationen für Fachkräfte aus der Behindertenhilfe und der Flüchtlingshilfe zusammengestellt. Das „Roadbox“ genannte Portal enthält Texte, Videos, Checklisten und Handlungsempfehlungen zum Asylverfahren, zu Leistungsansprüchen in besonderen Lebenslagen, zum Spracherwerb und zu weiteren Themen. Abrufbar ist die Seite bei www.hi-deutschland-projekte.de unter „Crossroads/Roadbox“.

12. InfoDienst zu „Migration, Flucht und Gesundheit“

Der InfoDienst der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bietet Hinweise auf Veranstaltungen, Projektberichte, Dokumentationen, Endadressatenmedien und Fachbücher. Materialien mit Hintergrundinformationen, Forschungsergebnissen, Theorien, Strategien und Konzepten im Bereich von Migration und Gesundheit, insbesondere für Geflüchtete, haben in den letzten Jahren eine besondere Bedeutung gewonnen. InfoDienst dient dem Erfahrungsaustausch von Fachkräften, die auf dem Gebiet Migration, Flucht und Gesundheit arbeiten. Mehr. Der Informationsdienst wird viermal jährlich (Januar, April, Juni und Oktober) gedruckt und online ständig aktualisiert. Sie können sich hier in den Verteiler der kostenlosen vierteljährlichen Printausgabe aufnehmen lassen oder die Ausgaben downloaden.

13. Nutzung von digitalen Medien zur niedrigschwelligen Ansprache von Zugewanderten und Geflüchteten

Die im Zusammenhang mit der Corona Pandemie verstärkte Digitalisierung von Lebenswelten wird sich weiter fortsetzen. Auch wenn Beratungsgespräche, Psychotherapien und Gruppenangebote wieder in Präsenz stattfinden, wird das nicht zu einem völligen Verschwinden der digitalen Angebote führen. Vielmehr wird es zu einem Nebeneinander der verschiedenen Angebotstypen kommen. In der aktuellen Ausgabe des InfoDienst der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu Migration, Flucht und Gesundheit gibt es auf den Seiten 64 -66 einen Artikel zur Nutzung von digitalen Medien zur niedrigschwelligen Ansprache von Zugewanderten und Geflüchteten. Laut Verfasser des Beitrags zeigt eine Analyse der Nutzergruppe von digitalen Medien, dass Menschen mit Einwanderungs- und Fluchtgeschichte, innerhalb dieser Gruppe besonders Frauen, überdurchschnittlich häufig Social-Media-Plattformen nutzen und sich dort in selbst organisierten Gruppen und Kanälen in ihrer Muttersprache austauschen. Darüber hinaus sind soziale Medien wichtig für den Kontakt zu Familienangehörigen in den Herkunftsländern. Wird die Ausstattung von Menschen mit Einwanderungs- und Fluchtgeschichte mit technischen Geräten betrachtet, fällt auf, das besonders häufig das Smartphone genutzt wird. Es geht im Detail u.a. um Aufsuchende Arbeit in sozialen Medien, Online-Beratung, Gruppenangebote und digitale Selbsthilfe.

14. Zusammenstellung von Informationen zur Passbeschaffung

Das Bayerische Landesamt für Asyl und Rückführungen (LfAR) hat auf seiner Webseite Passbeschaffungsinformationen zu den meisten Herkunftsländern von Asylsuchenden veröffentlicht. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um drei Dokumente (zu „Europa“, „Nachfolgestaaten UdSSR und Amerika“, sowie „Afrika“ und „Asien“), in denen zu den jeweiligen Ländern die benötigten Unterlagen, Verfahrensschritte, Vordrucke und weitere Hinweise zu finden sind. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen wies in einer Anmerkung darauf hin, dass die Informationen zu einigen Ländern sehr detailliert und aufschlussreich, zu anderen eher oberflächlich und/oder nicht auf dem aktuellen Stand seien. Informationen zur Passbeschaffung hier.

15. Zahlen und Fakten zur psychosozialen Versorgung von Flüchtlingen und Folteropfern in Deutschland

Die Zahlen zur psychosozialen Versorgung von Flüchtlingen und Folteropfern in Deutschland wurden von der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) in einer 6. aktualisierten Auflage des Versorgungsberichts herausgegeben. Die Ergebnisse des Berichts verweisen auf einen hohen ungedeckten Bedarf bei Psychotherapie und psychosozialer Unterstützung. Traumatisierte Geflüchtete müssen durchschnittlich 7 Monate warten, bis sie eine Psychotherapie beginnen können. Bei fast 30 % der Zentren warten Klienten und Klientinnen sogar zwischen 9 Monaten und eineinhalb Jahren, bis sie mit einer Therapie beginnen können. Die durchschnittlichen Wartezeiten im PSZ sind damit deutlich höher als bei Patienten und Patientinnen in der Regelversorgung. Mehr

16. Vor Abschiebung darf Covid-19-Test angeordnet werden

Vor der Abschiebung eines ausreisepflichtigen Ausländers auf dem Luftweg kann eine ärztliche Untersuchung zur Abnahme eines PCR-Tests angeordnet werden. Der Covid-19-Test sei zur Feststellung der Reisefähigkeit des zur Ausreise verpflichteten Antragstellers rechtlich zulässig, entschied das Verwaltungsgericht Mainz. Es wies dabei darauf hin, dass der Begriff der Reisefähigkeit weit auszulegen sei. Der Antragstellende ausreisepflichtige Ausländer wurde mit Verfügung der zuständigen Ausländerbehörde verpflichtet, eine ärztliche Untersuchung zur Abnahme eines Covid-19-Tests vor der geplanten Rückführung nach Aserbaidschan zu dulden, wenn er nicht freiwillig einen Test zulasse. Dagegen wandte er sich mit einem Eilantrag. Die Anordnung der ärztlichen Untersuchung zur Durchführung eines Covid-19-Tests sei zur Feststellung der Reisefähigkeit des zur Ausreise verpflichteten Antragstellers rechtlich zulässig, insbesondere erforderlich, entschied das VG Mainz. Der Begriff der Reisefähigkeit in dem aufenthaltsgesetzlichen Zusammenhang sei weit zu verstehen und umfasse auch die gesundheitlichen Voraussetzungen, um eine Abschiebung zu ermöglichen. Hier sei eine Rückführung auf dem Luftweg beabsichtigt, sodass zur Minimierung einer Gefahr für Leib und Leben der im Flugzeug Mitreisenden eine vorherige Testung des Abzuschiebenden notwendig sei. Darüber hinaus setzten die Einreisebestimmungen von Aserbaidschan das Vorliegen eines negativen Covid-19-Tests voraus, der nicht älter als 48 Stunden sein dürfe. VG Mainz, Beschluss vom 14.06.2021 -4 L 472/21.MZ

17. Aktualisierung der Leitlinien zur Rückkehrförderung

Die International Organisation on Migration (IOM) informierte, dass zum 01.07.2021 die REAG/GARP Leitlinien zur Rückkehrförderung aktualisiert wurden. REAG/GARP steht für “Reintegration and Emigration Programme for Asylum-Seekers in Germany” bzw. “Government Assisted Repatriation Programme”. Es gibt auf Ausreise und Rückkehr spezialisierte Beratungsstellen. Mehr Infos beim nächst gelegenen Fachdienst für Integration und Migration der Caritas im Erzbistum Paderborn. Die Leitlinien sind das Regelwerk der von Bund und Ländern vereinbarten Förderziele, Zuständigkeiten und Verfahrensabläufe. In den Leitlinien finden sich Infos zu: Förderfähiger Personenkreis, nicht- oder eingeschränkt förderfähiger Personenkreis, Sonderfälle, Programmleistungen, Reise-/Transportkosten, Reisebeihilfen, medizinisch bedingte Zusatzkosten der Reise, Starthilfen, Antragsverfahren, Reisedokumente und Reisemittel/Reiseweg.

18. Flüchtlinge und Studium

Das Studium an einer deutschen Universität oder Hochschule ist nicht das primäre Ziel von Geflüchteten. Doch für Personen, die bereits hier leben, kann es eine sehr große Chance mit guten Perspektiven sein; außerdem für beide Seiten eine win-win-Situation. Das Portal der Bundesregierung für Fachkräfte aus dem Ausland, Make it in Germany, bietet auch für internationale Studierende ausführliche allgemeine Informationen.

Für Geflüchtete ist eine der wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit einem Studium die der Finanzierung. Während anerkannte Flüchtlinge einen Antrag auf BaföG stellen können, haben andere Personen ohne Anerkennung die Möglichkeit eines Stipendiums über eine Stiftung oder andere Sponsoren. Eine kleine Auswahl finden Sie hier.

19. Studie: Fünf Jahre Medienberichterstattung über Flucht und Migration

Medien in Deutschland berichten widersprüchlich und zunehmend negativ über Flucht und Migration. Geflüchtete werden als Menschen in Not beschrieben, die gleichzeitig ein Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung in Deutschland darstellen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die ein Forschungsteam von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz durchgeführt hat. Die Wissenschaftler*innen haben die Berichterstattung in sechs deutschen Leitmedien zwischen 2016 und 2020 ausgewertet – darunter die „Süddeutsche Zeitung“, die „Bild“ sowie ARD und ZDF. Mehr als zehn Prozent der Beiträge zum Thema Flucht und Migration beschäftigten sich mit Terrorismus und Kriminalität. Berichte über schwere Straftaten wie Gewalt- und Sexualverbrechen waren im Vergleich zur Kriminalstatistik überrepräsentiert. Die Berichterstattung sei insgesamt deutlich negativer als noch während der sogenannten Flüchtlingskrise vor etwa fünf Jahren, schreiben die Autor*innen. Dabei zeigen sich aber wesentliche Unterschiede zwischen den einzelnen Medien. Die Studie wurde von der „Stiftung Mercator“ gefördert (Quelle: Mediendienst Information, 16.07.21)

20. Forschungsbericht: Geflüchtete Kinder und Jugendliche im deutschen Bildungssystem

Die Integration geflüchteter Jugendlicher in das deutsche Bildungssystem funktioniert insgesamt gut – doch es gibt mehrere Herausforderungen. So besuchen geflüchtete Jugendliche oft niedrigere Klassenstufen als Gleichaltrige ohne Fluchterfahrung. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass sie durch die Flucht im Durchschnitt über ein Jahr keine Schule besuchen konnten. Das geht aus einem Forschungsbericht hervor, den das Leibniz-Institut für Bildungsverläufe veröffentlicht hat. Für den Bericht wurden rund 4.800 geflüchtete Jugendliche sowie geflüchtete Eltern befragt. Es wird deutlich: Für geflüchtete Jugendliche hängt viel davon ab, an welchen Schulen die „Zuwandererklassen“ stattfinden, die sie auf den Übergang in andere Klassen vorbereiten sollen. Finden sie an Haupt- oder Realschulen statt, schaffen sie es seltener, ans Gymnasium zu wechseln. In Bundesländern, die die Klassen auf alle Schulformen verteilen, gelingt es den Jugendlichen öfter (Quelle: Mediendienst, 16.07.21)

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Herausgeber: Josef Lüttig, Flüchtlingsbeauftragter
Redaktion:
Heribert Krane, Referat Migration, Asyl und Partizipation im Caritasverband für das Erzbistum Paderborn e.V.,
Hezni Barjosef, Koordination Flüchtlingshilfe im Erzbistum Paderborn, ;